Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Freisprüche für vier VW-Personalmanager im Streit über die Höhe von Gehältern und Boni für einflussreiche Betriebsräte aufgehoben. Der 6. Strafsenat stufte in Leipzig ein Urteil des Landgerichts Braunschweig als lückenhaft ein. Der Fall wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung nach Braunschweig zurückverwiesen. VW kündigte an, das Urteil prüfen zu wollen. Der Konzernbetriebsrat erklärte, die 50 Jahre alten rechtlichen Grundlagen für die Betriebsratsvergütung müssten überarbeitet werden.
Hintergrund des Verfahrens sind Bezüge, die mehrere leitende Volkswagen-Betriebsräte zwischen 2011 und 2016 bekamen. Die gezahlten Boni für die Arbeitnehmervertreter bewegten sich nach den Feststellungen der Justiz zwischen 80.000 und 560.000 Euro im Jahr. Der langjährige Betriebsratschef Bernd Osterloh erhielt etwa in bonusstarken Jahren einschließlich seines Gehalts bis zu 750.000 Euro. Die angeklagten Manager gaben die Gehälter und Boni frei.
Das Gericht in Braunschweig hatte die Manager 2021 vom Vorwurf der Untreue freigesprochen. Den Personalverantwortlichen sei kein Vorsatz nachzuweisen. Die Angeklagten seien irrtümlich davon ausgegangen, mit ihren Entscheidungen zu den Betriebsratsgehältern keine Pflichten zu verletzen. Sie hätten ein Vergütungssystem vorgefunden und sich zudem auf die rechtliche Bewertung interner und externer Berater verlassen, die das System als zulässig eingestuft hätten.
Die Staatsanwaltschaft bewertete die Bewilligung dieser Gehälter dagegen als Untreue, weil VW Gewinn entgangen und so auch die Zahlung von Steuern vermindert worden sei. Sie legte Revision gegen das Braunschweiger Urteil ein, über die nun in Leipzig entschieden wurde.
Aus Sicht des BGH war das Landgericht von zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen. Wenn Vorstände Betriebsräten überhöhte Bezüge gewährten, könne der Untreue-Tatbestand erfüllt sein, erklärte der Senat. Das Betriebsverfassungsgesetz schreibe ein Begünstigungsverbot für Betriebsräte vor.
„Wir vermissen aber im Urteil die Antwort auf die Frage, an welchen Maßstäben sich die Bewilligungsentscheidungen ausgerichtet haben“, sagte der Vorsitzende Richter Günther Sander. Es fehlten demnach etwa Feststellungen dazu, wann für VW-Mitarbeiter ein Aufstieg vorgesehen war, welche Regeln für die Aufnahme in bestimmte Managementkreise galten oder welche Maßstäbe zugrunde gelegt wurden, um Boni zu gewähren. Auch die Beweiswürdigung des Landgerichts zum Vorsatz der Angeklagten sei lückenhaft, weil die hohen Boni außer Betracht gelassen worden seien.
„Der Senat vermag daher nicht zu beurteilen, ob die Bewilligung der monatlichen Entgelte und Bonuszahlungen den betriebsverfassungsrechtlichen Grundsätzen widerspricht und ob das Landgericht auf zutreffender Grundlage einen Vorsatz der Angeklagten verneint hat.“ Nun wird sich eine andere Wirtschaftsstrafkammer in Braunschweig erneut mit dem Fall beschäftigen müssen.
Volkswagen teilte mit, sich an dem Urteil des BGH orientieren zu wollen, „soweit darin Feststellungen zum Maßstab der Betriebsratsvergütung enthalten sind“. Das Unternehmen verwies darauf, dass auch an Arbeitsgerichten Klagen zu dem Thema anhängig seien, aus denen sich Neubewertungen ergeben könnten.
Ein Sprecher des Konzernbetriebsrats sagte, das Urteil zeige, dass bei den rechtlichen Leitplanken im Betriebsverfassungsgesetz für die Festlegung der Betriebsratsvergütung durch die Unternehmensseite akuter Reformbedarf bestehe. „Nach 50 Jahren Stillstand ist der Gesetzgeber hier dringend gefragt.“ Das Thema gehe über Volkswagen hinaus und betreffe die Arbeit Tausender Belegschaftsvertretungen.
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