Damit sich die Bestände der Felchen im Bodensee erholen, startet am Montag (1. Januar) eine dreijährige Schonzeit. Bis 2027 dürfen die Fische nicht gefangen werden. Die Effekte der Schonung sollen regelmäßig geprüft werden, wie die Internationale Bevollmächtigtenkonferenz für die Bodenseefischerei (IBKF) erklärte.
Die IBKF hatte die Schonzeit im vergangenen Juni nach einem massiven Einbruch bei den Fangzahlen beschlossen. Für das Monitoring würden staatliche Fischereiaufseher monatlich Netze an mehreren Stellen im See setzen. Die Einhaltung der angepassten Fischereigesetze werde wie bisher auch von den Fischereiaufsehern der Anrainerstaaten Österreich, Deutschland und der Schweiz überwacht.
Die Felchenerträge gehen seit Jahren zurück. 2022 waren sie auf etwas mehr als 20 Tonnen eingebrochen. 2021 gingen der Statistik nach noch rund 107 Tonnen Felchen ins Netz. Das Fangverbot ist aus Sicht der Wissenschaft alternativlos, um die Blaufelchenfischerei zu retten.
Die Gründe für den dramatischen Ertragsrückgang sind vielfältig. Die Felchen finden zum einen weniger Futter, weil der Bodensee wieder nährstoffarm geworden ist.
Doch die aktuell größte Rolle spielt Fischexperten zufolge der Stichling. Der kleine silberne Fisch wurde Anfang der 1950er Jahre erstmals im Bodensee nachgewiesen und hat sich nach unauffälligen Jahrzehnten für alle überraschend ab 2012 explosionsartig vermehrt.
Laut der Fischereiforschungsstelle in Langenargen macht er mittlerweile mehr als 90 Prozent der Fische im Freiwasser aus. Er frisst den Felchen das Plankton weg und macht sich auch über ihre Eier und Larven her.
Als Maßnahme neben der Schonzeit für Felchen wollen Brutanstalten am Bodensee deshalb Felchenlarven erst dann in den See aussetzen, wenn sie zu groß sind, um als Futter für Stichlinge zu dienen. Die Laichfischerei, die als Grundlage für die Aufzucht neuer Felchen dient, sei im Dezember überraschend erfolgreich gewesen, sagte der Leiter der Fischereiforschungsstelle, Alexander Brinker.
Etwa 245 Liter Laich in gutem Zustand sei geerntet worden. Im kommenden Frühjahr sollen viele Hunderttausende kleiner Felchenlarven im See ausgesetzt werden können - in der Hoffnung, den Bestand der Felchen damit wieder erfolgreich aufzubauen.
Für die mehr als 60 Bodensee-Fischer am Bodensee ist das Fangverbot ein Umbruch. Der bei Touristen und Einheimischen beliebte Fisch gilt als Aushängeschild für die Fischerei. In einer dreijährigen Schonzeit sehen die meisten Berufsfischer nicht die Lösung.
„Felchen haben zu wenig Schonung, solange andere Störfaktoren wie die Nährstoffarmut des Sees, der Stichling und der Kormoran weiterlaufen“, sagte die Vorsitzende des Verbands der Badischen Berufsfischer, Elke Dilger. „Wenn man etwas tun will, dann muss man sich um alles kümmern.“ Die Fischer machen auch den fischfressenden Kormoran für den Rückgang verantwortlich und fordern schon seit mehr als 20 Jahren ein Kormoran-Management mit Abschüssen, falls nötig.
Die Bodensee-Fischerei sei eine alte Tradition und ein Nahrungsmittellieferant für die Menschen am Bodensee, die jetzt schon zu verschwinden drohe, sagte er. Nur rund 30 Berufsfischer würden überhaupt noch regelmäßig auf den See rausfahren.
Von einer Überfischung des Sees könne bei solchen Zahlen nicht die Rede sein, zudem die Fischereirechte 2018 auch schon reduziert und dem sinkenden Fischbestand angepasst worden seien. Für den Rückgang des Felchens sei ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren verantwortlich, das nicht durch ein einfaches Fangverbot geregelt werden könne.
Es gibt aktuell drei verschiedene Felchenarten im Bodensee: Blaufelchen, Sandfelchen und Gangfisch. Der besonders wichtige Blaufelchen hält sich selten in Ufernähe auf und ist fast ausschließlich im Freiwasser zu finden. Der Fisch gilt bisher offiziell nicht als gefährdet. Felchen haben wenig Gräten und sind deshalb bei Fischern und Verbrauchern beliebt.
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