Gianni Infantino legte seine rechte Hand aufs Herz. Gerührt genoss der FIFA-Präsident den Applaus, der ihn in der vollen Wahlarena auch ohne deutsche Unterstützung erneut beschwingt an die Spitze des Fußball-Weltverbands hob.
„Alle, die mich lieben, ich weiß, das sind viele, und alle die mich hassen, ich weiß, es gibt da ein paar - ich liebe euch alle“, sagte der wiedergewählte Präsident in der BK Arena von Kigali nach der Abstimmung per Akklamation. Die Ablehnung des Deutschen Fußball-Bundes und weniger weiterer Nationen blieb wirkungslos.
FIFA-Generalsekretärin Fatma Samoura erwiderte pathetisch in Richtung des schon wieder auf seinem Platz sitzenden Schweizers: „Wir lieben Sie, Präsident.“ Der Kongress in Ruanda war die erwartbare Infantino-Show - wieder mit Aussagen, die Nachfragen aufwarfen. So berichtete Infantino, ein bewegender Besuch beim Völkermorddenkmal des in den 1990er-Jahren schwer getroffenen ostafrikanischen Landes habe ihn 2016 inspiriert, seine Präsidentschaftskampagne trotz mangelnden Rückhalts nicht aufzugeben.
Die Wiederwahl nun sei eine „unglaublichen Ehre“, sagte Infantino, der indirekt ein lebenslanges Wirken andeutete und am Mittag zu einer breit angelegten Medienkritik ausholte. „Es ist ein bisschen ermüdend“, sagte er während der Pressekonferenz zur Negativberichterstattung über die FIFA und ihn persönlich. „Wir stehlen nicht, wir profitieren nicht. Bei der FIFA geht es um Fußball, nicht um Geld.“
Die „Attacken“ bezüglich einer „reichen FIFA“ verstehe er nicht. „Ihr braucht mich nicht zu lieben, ihr müsst nicht lieben, ihr könnt mich kritisieren - dafür gibt es Meinungsartikel -, aber bitte, bitte bleibt bei den Fakten“, äußerte Infantino vor den Journalisten aus aller Welt.
DFB-Präsident Bernd Neuendorf und seine Mitstreiter aus den kritischen europäischen Nationen dürften den Kongress skeptisch verfolgt haben. Die FIFA müsse „im Umgang mit den nationalen Verbänden deutlich offener und transparenter werden“, hatte Neuendorf bereits am Mittwoch gefordert und Infantino wie die Schweden und Norweger die direkte DFB-Unterstützung bei der Wahl versagt - im Wissen, dass der mitgliederstärkste Verband damit so gut wie alleine dasteht.
Gut eine halbe Stunde lang feierte Infantino sich und die FIFA kurz vor der Wahl für die Verdienste der vergangenen Jahre, am aufregendsten wurde es für die 208 von 211 anwesenden Verbände beim Thema Geld. Mehr als elf Milliarden US-Dollar wird der Weltverband bis 2026 verdienen, durch die neue Club-WM könnten es „ein paar Milliarden“ mehr werden, kündigte Infantino an. „Das Geld der FIFA ist euer Geld“, fügte der 52-Jährige an. „Jeder Dollar, der investiert wird, wird von unabhängigen Rechnungsprüfern kontrolliert.“
Seine Schlussansprache nutzte Infantino für die bemerkenswerte Ankündigung, die WM-Erfolgsprämien im Frauenfußball bis 2027 an die im Männerfußball angleichen zu wollen. Das sei der „schwierigste“ Schritt auf dem Weg zum sogenannten „Equal Pay“, also der gleichen Entlohnung für Frauen und Männer im Profifußball. „Die Rechteinhaber und Sponsoren müssen mehr tun“, forderte Infantino und verwies auf die teils massiv niedrigeren Angebote dieser Partner für den Frauenfußball. Für die WM 2023 in Australien und Neuseeland steigen die Prämien auf 110 Millionen US-Dollar.
Da seine ersten knapp dreieinhalb Jahre als FIFA-Präsident nicht angerechnet werden, kann Infantino im Frauen-WM-Jahr 2027 erneut für vier Jahre in eine dann statutengemäß letzte Amtszeit gewählt werden. „Wenn ein Unternehmer ankündigen würde, dass die Dividenden um das Siebenfache erhöht werden, würde man ihn auf ewig behalten, dann ginge es nicht nur um ein Vierjahresmandat“, sagte Infantino. Er hatte die FIFA Anfang 2016 vom gesperrten Joseph Blatter (87) übernommen - geboren sind beide im beschaulichen Schweizer Wallis.
„Eure Unterstützung berührt mich sehr und macht mich demütig“, sagte der Schweizer in Richtung der Delegierten, denen er vor der Abstimmung mit auf den Weg gegeben hatte: „Ich bitte euch einfach nur darum, euch zu erinnern, dass der Fußball Freude, Glück, Leidenschaft, Liebe und Frieden ist, und dass der Fußball da ist, um unsere wundervolle Welt zu vereinen.“
Die vergangene Weltmeisterschaft Ende 2022 in Katar war begleitet worden von teils erschreckenden Menschenrechtsverstößen, die FIFA kündigte eine Analyse an. Infantino sprach dennoch erneut von der „besten WM aller Zeiten“, die allerdings 2026 in den USA, Kanada und Mexiko von der nächsten „großartigsten WM aller Zeiten“ abgelöst werde. Dass erstmals 48 Nationalverbände teilnehmen, ist eines der Langzeit-Wahlversprechen von Infantino, der das fragwürdige Wahlsystem - die Stimme jedes noch so kleinen Verbands hat den gleichen Wert - perfekt auszunutzen weiß.
„Wir sind nicht das Rote Kreuze oder Greenpeace“, sagte Infantino und lobte die beiden Organisationen. „Aber wir haben auch eine Verantwortung, bei globalen Herausforderungen zu helfen.“ Auf die auch in Deutschland kritisch begleiteten Affären und Ungereimtheiten seiner bisherigen Schaffensperiode ging der FIFA-Präsident im Saal nicht ein. In der Schweiz ermitteln zwei Sonderstaatsanwälte in einer undurchsichtigen Justiz-Affäre gegen Infantino, der alle Vorwürfe zurückweist.
Im Gegenteil verwies der FIFA-Präsident auf seine jüngste Einladung zum G20-Gipfel. „Wir sind stolz darauf“, sagte Infantino. „Diese Leute würden sich nicht mit einer FIFA zusammensetzen, der sie nicht trauen.“ Institutionen, und „nicht nur Sponsoren und Fernsehanstalten“ hätten Vertrauen gewonnen in die FIFA.
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