Zweieinhalb Monate vor der Bundestagswahl rückt rechnerisch ein Bündnis von Union und Grünen in greifbare Nähe. Nach neuen Umfragen käme Schwarz-Grün auf 44 bis 47 Prozent. Eine Mehrheit im Bundestag wäre damit möglich, weil mehrere Parteien die Fünf-Prozent-Hürde verpassen könnten.
Beide Seiten betonten zwar die Unterschiede. Der Grünen-Co-Chef Felix Banaszak will den CDU-Vorsitzenden und Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz aber dennoch persönlich kennenlernen.
Banaszak wurde mit Franziska Brantner Mitte November zur Doppelspitze der Grünen gewählt. Der Mediengruppe Bayern sagte Banaszak, er spreche mit den Vorsitzenden der anderen demokratischen Parteien, mit Merz habe es noch keinen persönlichen Austausch gegeben. „Aber es ist schon terminiert“, sagte er. Das dementierte aber CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann: „Ein Treffen ist nicht geplant“, sagte er Deutschen Presse-Agentur. Anderslautende Berichte seien „schlicht falsch“. Aus Grünen-Parteikreisen hieß es, es hätte am Freitag ein Treffen zwischen Banaszak, Brantner und Merz geben sollen. Dies sei dann aber kurzfristig abgesagt worden.
Banaszak kann sich auch ein sehr persönliches Zusammentreffen mit Merz vorstellen. Auf die Frage der Mediengruppe Bayern, ob die beiden Bundestagsabgeordneten schon mal zusammen ein Bier getrunken hätten, sagte der Grünen-Chef: „Bisher nicht, aber ich lade ihn herzlich in meine Stammkneipe in Duisburg ein.“
Die Union kommt in Umfragen derzeit auf 32 bis 33 Prozent, die Grünen auf 12 bis 14 Prozent. Im neuen Sonntagstrend des Meinungsforschungsinstituts Insa für die „Bild am Sonntag“ erreicht die Union 32 Prozent, die Grünen 12 Prozent, was zusammen 44 Prozent wären. Zweitstärkste Kraft wäre demnach die AfD mit 19 Prozent vor der SPD mit 16 Prozent.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht kommt auf 8 Prozent, FDP und Linke verfehlen mit je 4 Prozent die Fünf-Prozent-Hürde. Außer Schwarz-Grün wäre demnach auch ein Regierungsbündnis aus Union und SPD rechnerisch möglich (zusammen 48 Prozent).
Eine Koalition aus Union und Grünen im Bund wäre ein Novum. 2017 hatten CDU/CSU, Grüne und FDP über eine sogenannte Jamaika-Koalition beraten, diese kam aber nicht zustande. In Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg regieren Union und Grüne zusammen, im Südwesten unter Führung der Grünen.
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner rät seiner Partei, sich eine Koalition mit den Grünen nach der Bundestagswahl im Februar offenzuhalten. „Die Union wird nach der Bundestagswahl einen Koalitionspartner brauchen. Ich halte wenig von Ausschließeritis“, sagte der CDU-Politiker der dpa.
Er verstehe, dass die CDU mit den Grünen, wie sie sich jetzt auf Bundesebene und in der Ampel-Regierung präsentiert hätten, nicht zusammenarbeiten wolle, sagte Wegner. Er wies aber auch auf die aus seiner Sicht erfolgreichen schwarz-grüne Koalitionen in den drei Bundesländern hin. „Warum sollte man solche Bündnisse also generell ausschließen?“, fragte Wegner.
Hendrik Wüst (CDU), Regierungschef der ersten schwarz-grünen Koalition in Nordrhein-Westfalen, sagte der „Welt am Sonntag“, in den Ländern zeige die CDU, „dass auch erfolgreiche Koalitionen zwischen einer starken CDU und den Grünen möglich sind“. Zugleich sagte Wüst: „SPD und FDP sind uns in vielen Punkten inhaltlich näher als die Grünen.“
Linnemann und Banaszak machten einmal mehr grundlegende Unterschiede zwischen Union und Grünen deutlich. Die Union wolle einen Politikwechsel bei Migration, Wirtschaft und Sozialpolitik. „Das ist mit diesen Grünen nicht zu machen“, sagte Linnemann. Das sagt auch CDU-Chef Merz immer wieder.
Im Gegensatz zu ihm schließt CSU-Chef Markus Söder eine Zusammenarbeit mit den Grünen jedoch generell aus. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) kritisierte die Haltung des bayerischen Ministerpräsidenten. Dem „Tagesspiegel“ sagte er: „Die Unterschiede, die Demokraten untereinander haben, sind immer kleiner als die Unterschiede zu denen, die diese Demokratie zerstören wollen.“ Wer das anders sehe, müsse sich fragen lassen, ob er verstanden habe, was demokratische Verantwortung ist.
Banaszak sagte, die Grünen seien sich einig mit der Union, dass man Frieden in der Ukraine und in Europa nicht dadurch erreiche, „dass wir uns vor einem imperialen Aggressor wie Wladimir Putin in den Staub werfen.“ „Ansonsten unterscheiden wir uns sehr“, fügte er hinzu.
Merz habe keinen Plan, wie man in diesem Land weiter in eine zukunftsfähige Wirtschaft investieren könne und scheine auch kein Interesse an einem konsequenten Klimaschutz zu haben. „CDU und CSU wollen aus unserem Land ein Industriemuseum machen“, sagte Banaszak. Das Ziel, 2045 Klimaneutralität zu erreichen, nannte er „nicht verhandelbar“.
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