Der Bund will die Bevölkerung künftig besser vor Extremwetterereignissen warnen. Das geht aus der neuen Klimaanpassungsstrategie der Bundesregierung hervor, die das Kabinett an diesem Mittwoch verabschiedet hat. Sie legt erstmals messbare und damit verbindlichere Ziele für den Umgang mit Ereignissen wie Hitze, Dürre, Starkregen und Hochwasser fest, die durch den Klimawandel immer häufiger und heftiger werden. Ein Überblick über die wichtigsten Punkte:
Nach der Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021 war die Bilanz verheerend. Mindestens 135 Menschen starben, Tausende verloren ihr Hab und Gut. Schon nach kurzer Zeit war klar: Viele haben sich nicht in Sicherheit gebracht, weil sie nicht rechtzeitig vor den Fluten gewarnt worden waren.
Ein Versagen, das sich nach dem Willen der Bundesregierung nicht wiederholen soll: Bis 2030 will der Bund die Warnsysteme im Falle von Extremwetter deutlich ausbauen und ihre Reichweite erhöhen. Trotz bereits bestehender Vorkehrungen - wie etwa Warnungen über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder Sirenen - gebe es immer noch „Lücken in der technischen Übermittlung von Warnmeldungen“, wie es im Strategiepapier heißt.
Deshalb soll unter anderem die Zahl der Nutzer der bundesweiten Warn-App NINA bis Ende des Jahrzehnts von aktuell etwa zwölf auf 16 Millionen Nutzer wachsen. Das wäre ein Anstieg um 30 Prozent - der unter anderem durch mehr Aufklärung gelingen soll. Die zentrale Hürde bislang: Die App, die das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) anbietet, muss von Nutzern aktiv aufs Handy geladen und installiert werden - sonst gibt es keine Warnung.
Um Menschen künftig besser vor extremer Hitze zu schützen und kühlende Orte zu schaffen, sollen die Städte grüner werden. In der Nähe von Wohn- und Arbeitsorten soll die Bevölkerung diese Grünflächen „in einer fußläufig leicht zu bewältigenden Distanz“ erreichen können. Diese Erreichbarkeit von Grünflächen soll bis 2030 „mindestens stabil“ gehalten werden und für das Stadtgebiet und Umgebung aller Städte ab 10.000 Einwohnern Pflicht sein. In Gebieten, in denen aufgrund besonderer Hitzegefährdung ein vorrangiger Handlungsbedarf besteht, sollen die Grünflächen nicht nur stabil bleiben, sondern ausgebaut werden.
Daneben will der Bund auch Maßnahmen gegen die Versiegelung von Flächen treffen. Zugebaute und undurchlässige Böden bergen etwa im Falle von Starkregen ein hohes Risiko, weil das Wasser nicht abfließen kann. Deshalb soll der Flächenverbrauch bis 2030 auf unter 30 Hektar pro Tag verringert werden. Zum Vergleich: Von 2019 bis 2022 waren in Deutschland laut amtlicher Statistik des Bundes im Schnitt jeden Tag rund 52 Hektar als Verkehrs- und Siedlungsflächen neu ausgewiesen worden.
Ein effizienter Umgang mit Wasser ist entscheidend für die Anpassung an die Folgen der Klimakrise. In Deutschland haben die verfügbaren Wasserressourcen in den vergangenen Jahren abgenommen. Die neue Strategie legt fest, dass über einen längeren Zeitraum nicht mehr als 20 Prozent der verfügbaren Wassermenge genutzt werden darf. Dabei habe die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser „oberste Priorität“. Die international anerkannte Schwelle von 20 Prozent liefert einen Anhaltspunkt, ob die Nutzung der Wasserressourcen nachhaltig ist oder Wasserknappheit herrscht. In Deutschland ist sie den Angaben zufolge seit 2007 nicht mehr überschritten worden.
Gute Wassermanagementkonzepte sollen auch die Betriebe von Landwirten zukunftssicher machen. Die Strategie legt fest, dass die Erträge der Bauern bis 2030 - und im nächsten Schritt bis 2050 - in Deutschland klimawandelbedingt nicht stärker schwanken dürfen als bisher.
Auch die Widerstandsfähigkeit der Betriebe gegen die Auswirkungen des Klimawandels soll stabil gehalten werden. Dazu soll die finanzielle Förderung von Landwirten so gesteuert werden, dass sie stärker als bisher der Klimaanpassung dient.
Das Papier sieht außerdem vor, dass bis 2030 in 80 Prozent der Gemeinden, die gesetzlich dazu verpflichtet sind, Klimaanpassungskonzepte vorliegen müssen. Eine genaue Anzahl der Kommunen, die einer solchen Pflicht unterliegen, gibt es nach Angaben des Umweltministeriums derzeit nicht. Es sei aber davon auszugehen, dass dies einen Großteil der Kommunen betreffen werde, heißt es. Schätzungen zufolge haben bislang nur etwa zehn bis 15 Prozent der Kommunen und etwa 26 Prozent der Landkreise Konzepte dieser Art erarbeitet.
Auch mit Verabschiedung der neuen Strategie bleibt die Kernfrage nach der künftigen Finanzierung von klimawandelbedingten Kosten offen. Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) betonte, dass in Deutschland durch die Klimafolgen seit dem Jahr 2000 Schäden in Höhe von 145 Milliarden Euro entstanden seien. Durch Vorsorge wolle der Bund die Schäden in Grenzen halten. Aber das allein wird Experten zufolge nicht reichen. Auch der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), dessen Mitglieder rund 90 Prozent der Einwohner Deutschlands mit Trinkwasser versorgen, mahnte einen Finanzierungsplan an. Ein bereits seit längerem diskutierter Vorschlag, die Klimaanpassung als gemeinsame Finanzierungsaufgabe von Bund und Ländern im Grundgesetz zu verankern, hat sich bislang nicht durchsetzen können.
Klimaanpassungsstrategien gibt es bereits seit dem Jahr 2008 und wurden seitdem immer wieder fortgeschrieben. Ein möglicher politischer Machtwechsel ab dem kommenden Jahr hätte zunächst keine Auswirkungen auf die Gültigkeit der nun beschlossenen Strategie. Sie gilt so lange weiter, bis eine künftige Regierung eine neue beschließt. Nach vier Jahren soll die jetzige Strategie ohnehin weiterentwickelt werden - so steht es im Klimaanpassungsgesetz. Auch die Erfüllung der erstmals verbindlich formulierten Ziele sollen Bund und Länder bis dahin gemeinsam kontrollieren. Werden die Ziele allerdings verfehlt, sind laut Lemke keine Sanktionen vorgesehen.
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