Nordkorea hat nach südkoreanischen Angaben erneut eine atomwaffenfähige Rakete abgefeuert, die theoretisch US-Territorium erreichen kann.
Die wiederholte Machtdemonstration des von Machthaber Kim Jong Un regierten Landes überschattete den Auftakt des Asien-Pazifik-Gipfels in Bangkok, wo die USA, Südkorea und andere Staaten wegen des Raketentests am Rande zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenkommen wollten. Interkontinentalraketen (ICBM) gelten als wichtigstes Trägermittel von Atomwaffen.
Die Regierungen in Seoul und Tokio warfen dem weithin isolierten Nachbarland am Freitag ernsthafte Provokation vor. Der Nationale Sicherheitsrat des Weißen Hauses in Washington verurteilte den Test einer „ballistischen Langstreckenrakete“ und rief Pjöngjang zugleich zu ernst gemeinten Verhandlungen auf. „Die Tür für Diplomatie ist nicht geschlossen, doch muss Pjöngjang sofort seine destabilisierenden Aktionen stoppen und sich stattdessen zu diplomatischem Engagement entschließen“, sagte die Sprecherin Adrienne Watson.
Die Rakete sei nach dem Start in der Region um die Hauptstadt Pjöngjang bei einer Flughöhe von bis zu 6100 Kilometern etwa 1000 Kilometer weit ostwärts in Richtung Meer geflogen, teilte der südkoreanische Generalstab mit. Die Rakete stürzte nach Angaben des japanischen Ministerpräsidenten Fumio Kishida wahrscheinlich innerhalb Japans exklusiver Wirtschaftszone ins Meer - einer 200-Meilen-Zone vor der Küste.
Kishida, der sich anlässlich des Apec-Gipfels in Bangkok aufhielt, verurteilte den erneuten Raketentest aufs Schärfste. Nordkoreas Provokationen seien „nicht hinnehmbar“. Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol ordnete laut seinem Büro an, die gemeinsame Verteidigung seines Landes mit den USA zu verstärken. Auch forderte Yoon eine Reaktion des UN-Sicherheitsrats.
UN-Resolutionen untersagen der selbst erklärten Atommacht Nordkorea die Erprobung von ballistischen Raketen jeglicher Reichweite, die je nach Bauart mit einem nuklearen Gefechtskopf bestückt werden können. Zu ICBM zählen Raketen mit einer Reichweite von mindestens 5500 Kilometern. Nach Angaben von Experten ist es dabei nicht unüblich bei Nordkorea, für Tests von militärischen Raketen mit großen Reichweiten bewusst eine steile Flugbahn zu wählen.
Nordkoreas Entwicklung strategischer Raketen mit Reichweiten von Tausenden Kilomtern richtet sich dabei besonders gegen die USA, denen Pjöngjang eine feindselige Politik vorwirft. Mit dem jüngsten Raketentest will Nordkorea deshalb nach Einschätzung von Beobachtern neben der Verfolgung waffentechnischer Ziele auch ein klares Signal an die USA senden.
Außenministerin Choe Son Hui hatte am Donnerstag mit „heftigeren militärischen Gegenaktionen“ gegen Pläne der USA gedroht, ihre Militärpräsenz in der Region zu verstärken. Choe spielte auf das Treffen von US-Präsident Joe Biden mit Kishida und Yoon am vergangenen Sonntag an. Bei dem Dreier-Treffen am Rande des Gipfels des südostasiatischen Staatenverbundes Asean in Kambodscha hatte Biden die Entschlossenheit seines Landes betont, die „erweiterte Abschreckung“ zu verstärken. Darunter verstehen die USA die „volle Bandbreite“ ihrer militärischen Fähigkeiten zur Verteidigung Südkoreas und Japans - einschließlich Atomwaffen.
Südkoreas Militär geht davon aus, dass Nordkorea zuletzt Anfang November eine ICBM abgeschossen hat. Damals soll es nach der Startphase zu Problemen gekommen sein. Wie schon am 3. November habe Nordkorea diesmal offenbar wieder seine größte ICBM vom Typ Hwasong-17 abgefeuert, berichtete die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap unter Berufung auf eine Quelle im Verteidigungsministerium.
Die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel haben zuletzt wieder deutlich zugenommen. Seit Beginn des Jahres gab es bereits mehr als 50 nordkoreanische Raketentests - allein Anfang November erfasste Südkoreas Militär mehr als 25. Washington und Seoul gehen davon, dass Nordkorea auch bereit ist, einen neuen Atomtest zu unternehmen. Experten befürchten, dass sich die Spannungen weiter hochschaukeln und schon geringste Fehlkalkulationen auf einer der beiden Seiten gefährlichste Konsequenzen nach sich ziehen könnten.
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