Es geht entlang und hoch an schroffen Felswänden, über Wasser und Wälder bis zum Gipfelkreuz. An Stahlseilen gesichert bewegen sich die Kletterer mit Helm, Gurt und Steigset auf dem Burgenklettersteig zwischen dem kleinen Fluss Lieser im Tal und der Ober- und Niederburg in Manderscheid in der Eifel.
„Er ist schon sportlich herausfordernd“, sagt Georg Fox, Revierförster für Eckfeld-Manderscheid, der die Idee für den knapp vier Kilometer langen Parcours in drei Etappen hatte.
Vor knapp einem Jahr eröffnet, werde er gut angenommen. „Das Echo ist durchweg positiv“, sagt er. Viele freuten sich, dass sie jetzt einen Klettersteig in der Nähe hätten, „der von den Herausforderungen ähnlich wie in den Alpen ist“, erzählt Fox, der als Kletterführer in Manderscheid auch Touren anbietet.
Bei schönem Wetter und an Feiertagen sei der Steig stark frequentiert. „Da kann es auch mal Stau am Steig geben.“ Er schätzt, dass im halben Jahr der Saison 2022 zwischen 15.000 und 20.000 Menschen am neuen Steig unterwegs waren.
Auch der Geschäftsführer der Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH in Koblenz, Stefan Zindler, hat den Eindruck, dass „das Thema Klettern hoch im Kurs steht“. Das liege auch an neuen Angeboten wie dem Manderscheider Klettersteig, der im Vergleich zu bisherigen Angeboten im Land aufgrund der Länge der Passagen und des Schwierigkeitsgrads „eine andere Dimension“ sei. Schon länger gebe es in Boppard am Rhein einen Klettersteig, der „nach wie vor sehr beliebt“ sei. Und einen Klettersteig am Bremmer Calmont an der Mosel.
„Wir waren immer schon ein Outdoor-Land“, sagt Zindler über Rheinland-Pfalz. Mit Corona hätten sich Aktivitäten „draußen“ noch verstärkt. Schon länger gebe es den Trend an Wanderwegen, „kleine Kletterpassagen“ einzubauen, um Erlebnisse zu schaffen. Landesweit habe man vor allem Wanderer und Radfahrer im Blick. Klettersteige seien „regionale Aushängeschilder“ für sportlich Anspruchsvolle.
Nach Angaben von Fox passiert es leider immer wieder, dass Kletterer sich überschätzen. Das sei der Fall gerade bei der dritten Etappe zur Niederburg, die vom Schwierigkeitsgrad her einer schwarzen Piste beim Skifahren entspreche. Es gehe da gar nicht um Höhenangst. „Es ist viel mehr die Armkraft, die nachlässt“, sagt Fox. Denn das Gelände sei da teils „überhängend“ - heißt: „Meine Arme sind da weiter weg vom Fels als die Füße. Und ich muss mich am Fels festhalten.“
Die zwei Unfälle, bei denen Kletterer schwer verletzt wurden, beruhten laut Fox darauf, dass die Personen nicht gesichert waren. „Sie hatten das Material dabei, waren aber nicht eingehakt.“ Im November 2022 war eine Frau gut drei Meter in die Tiefe gestürzt und auf einem Felsen aufgekommen. Und Mitte Mai dieses Jahres war ein Mann metertief gefallen. Zudem habe es kleinere Unfälle gegeben, bei denen gesicherte Kletterer in ihre Sets gefallen seien und sich dabei beispielsweise an der Schulter verletzt hätten.
Der Burgenklettersteig sei wie ein Wanderweg frei zugänglich - und dürfe nur mit Sicherheitsausrüstung für Klettersteige begangen werden. Dennoch gebe es dort auch Leute ohne Helm oder ohne richtige Ausrüstung, sagt Fox. „Es ist eben kein Kletterpark. Da ist Eigenverantwortung gefragt.“ Das Equipment könne man sich auch vor Ort ausleihen, teilt die Tourist Information Manderscheid mit.
Unfälle würden „ein bisschen einen dunklen Schatten“ auf den Klettersteig werfen. Aber auch beim Skifahren passierten Unfälle und keiner stelle dann die Piste in Frage. „Der Steig ist total sicher, man muss sich nur an die Regeln halten“, sagt Fox. Zindler fügt hinzu: „Es ist wie beim Paddeln, was man nicht ohne Schwimmweste machen sollte. So sollte man auf einen Klettersteig niemals ohne das Klettersteig-Set gehen. Sonst ist es zu gefährlich.“
Der Klettersteig in Manderscheid ist längst überregional bekannt. Er sei „der beste, nicht alpine Klettersteig Deutschlands“, sagt Klettersteigführer und Autor Axel Jentzsch-Rabl in Bad Häring in Österreich. Von dem her, was er biete, sei er bundesweit einzigartig: „Es ist einfach der Mix aus Klettern am Bach, dann im Mittelteil hinauf zur Oberburg und am Ende die doch recht anspruchsvolle Etappe unterhalb der Niederburg.“ Der Klettersteig sei „eine Mischung aus Natur, Geschichte des Mittelalters und Stahlseil-Action“.
Gefährlich an Klettersteigen wie auch bei anderen Action-Sportarten - egal, ob in Manderscheid oder anderswo - wird es laut Jentzsch-Rabl nur: „Wenn man sich selbst überschätzt oder mit der Ausrüstung nicht umgehen kann.“ In Rheinland-Pfalz gebe noch andere Routen, die auch als Klettersteige bezeichnet würden, wie den Klettersteig Boppard, den Collis Steilpfad in Zell an der Mosel und den Calmont Klettersteig.
„Diese Touren haben aber nur ganz kurze, mit Stahlseil versicherte Passagen bis zu Schwierigkeitsstufe B. Dort, wo es beim Boppard Klettersteig bei der schwierigsten Stelle aufhört, fängt es beim Burgenklettersteig Manderscheid bei der leichtesten Stelle an“, sagt Jentzsch-Rabl. Die Bewertung der Schwierigkeit reicht von A (leicht) bis F (extrem schwer). „Wer unsicher ist, nimmt besser einen Führer oder macht davor einen Klettersteigkurs“, rät er.
Der Landesverband des Deutschen Alpenvereins hat auch eine erhöhte Nachfrage nach Kursen zur Vorbereitung festgestellt. „Es ist gut zu üben. Der Bedarf ist da“, sagt Landesvorsitzender Lothar Lukoschek in Kaiserslautern. Sektionen des Vereins würden daher vor Ort auch vorübergehende Übungsparcours bauen, um Techniken für spätere Touren dann im Gebirge zu lernen. Diese Kurse seien in der Regel ausgebucht. Daneben gebe es in der Pfalz auch eine „vitale Szene“ an Sportkletterern, die im Pfälzer Wald unterwegs seien.
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