Alljährlich werden in Bayern historische Gebäude abgerissen, die Städte und Landschaften geprägt haben. Der Bayerische Landesverein für Heimatpflege mahnt zum Erhalt – und hat die Öffentlichkeit zum Jahreswechsel erneut über den bedauernswertesten Abriss des abgelaufenen Jahres abstimmen lassen.
Das Rennen in dem Negativ-Wettbewerb machte die Wagnergasse in Landshut, wie der Verein nun mitteilte. Dafür votierten 447 Stimmen von mehr als 1.700 Teilnehmenden. Um das dort abgerissene jahrhundertealte Handwerkerhäuschen mit Renaissancegiebel war jahrelang diskutiert worden, ehe der Bagger zum Abriss anrollte.
„Die Landshuter Altstadt samt all ihren Nebengassen und Passagen sind ein Ensemble, das Geschichte nachfühlen lässt. Daher macht mich jeder Verlust aus diesem Gesamtbild besonders betroffen“, kommentierte einer der Teilnehmer der Abstimmung.
Auf Platz zwei der Negativ-Liste landete mit 221 Stimmen ein weiteres Handwerkerhaus in Bad Birnbach. „Das Haus war entzückend, charmant und in jedem Fall wert, weiter Bestand zu haben“, lautete einer der Kommentare. Ein anderer schrieb, er habe sich im Rottal stets über die Dichte der historisch wertvollen Holzhäuser gefreut und sei sehr traurig, dass man auch dort beginne, diese noch vorhandenen Schätze zu missachten. „Sehr schade.“
Knapp hinter Bad Birnbach wählten 197 der Teilnehmenden den Abriss der Kühltürme des stillgelegten Atomkraftwerks Grafenrheinfeld. Sie waren für die Einheimischen so etwas wie Wahrzeichen – und auf jeden Fall ein Zeichen ihrer Heimat.
„Die Kühltürme haben mich durch mein Leben begleitet. Als Kind hieß es immer, jetzt sind wir gleich zu Hause, da sind schon die Türme“, schrieb jemand. Ein anderer: „Wäre ein schönes Denkmal gewesen und ein monumentaler Bau mit Potenzial für interessante Nutzungsmöglichkeiten.“ Und ein weiterer: „Farbe und Kreativität hätten hier, jenseits von Ideologie, mit Sicherheit eine Verwendung als (Energie-)Museum, über Kletterturm bis hin zu ... ermöglicht.“
Die Kühltürme waren im vergangenen Jahr gesprengt worden, zurück blieben Tausende Tonnen Beton.
Zur Wahl standen zwölf Gebäude, die 2024 in Bayern abgerissen wurden. Die Abstimmung lief vom 27. Dezember bis 9. Januar auf der Webseite des Vereins.
Den Heimatpflegern gehe es darum, jeden Abriss zunächst infrage zu stellen und Vorhandenes sinnvoll zu nutzen, erläuterte der Geschäftsführer des Landesvereins, Rudolf Neumaier. „Abriss ist immer die fantasieloseste Lösung. Und es ist pure Energieverschwendung, nämlich die Vernichtung von grauer Energie.“ Außerdem gehe Baukultur verloren, die „das Gesicht unserer Orte und unseres Landes ausmachen“.
Die Aktion „Abriss des Jahres“ hatte der Landesverein 2022 ins Leben gerufen. Damals gewann die Radrennbahn in Nürnberg den Negativpreis, im vergangenen Jahr war es ein Fachwerkhaus in Bayreuth-Rödensdorf.
„Politologen halten es für die derzeit wichtigste Aufgabe der Politik, bei den Menschen Heimatgefühle zu erzeugen“, sagte Neumaier. „Welche Rolle die Baukultur dabei spielt, unterschätzen viele Politiker gerade auf kommunaler Ebene.“
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