Unter dem Eindruck des Siegs von Donald Trump bei der US-Präsidentenwahl suchen SPD, Grüne und FDP weiter nach einem Weg aus ihrer Koalitionskrise. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beriet zunächst mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP), um eine gemeinsame Linie für den Koalitionsausschuss zu finden, der am Abend tagt. Es geht darum, wie das Milliardenloch im Haushalt 2025 gestopft und die schwer angeschlagene deutsche Wirtschaft wieder auf Trab gebracht werden kann. Sollte es im Koalitionsausschuss, dem auch die Partei- und Fraktionsspitzen angehören, nicht zu einer Einigung kommen, steht die Ampel vor dem Aus.
Die weltweite Unsicherheit, die angesichts des Wahlsiegs Trumps droht, könnte die Koalition aber vielleicht noch einmal zusammenschweißen. Darauf hoffen vor allem SPD und Grüne. „Ich wünsche mir, dass alle jetzt parteitaktische Überlegungen über Bord werfen, dass man sich auch im Koalitionsausschuss heute Abend in die Augen guckt, dass man sich noch mal klarmacht, welche Verantwortung man jetzt trägt“, sagte SPD-Chef Lars Klingbeil im ARD-„Morgenmagazin“.
Grünen-Chef Omid Nouripour betonte, das Ergebnis der US-Wahl sei ein Auftrag an die Europäer, die ihre Verteidigungsfähigkeit und Wirtschaft nun unabhängiger aufstellen müssten. „Als Ampelregierung haben wir heute Abend die Möglichkeit zu signalisieren, dass wir den Ernst der Lage verstanden haben und entsprechende Maßnahmen ergreifen und verantwortungsvoll handeln.“
Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) warnte indirekt erneut vor einem Scheitern der Ampel. „Es ist jetzt die Zeit für Staatsverantwortung“, wird Habeck vom Ministerium auf der Plattform X zitiert. „In dieser Situation muss Deutschland voll handlungsfähig sein.“
Aber auch Finanzminister Christian Lindner sieht den Wahlsieg Trumps als Auftrag an die Bundesregierung. „In der Europäischen Union, Nato und auch in Berlin müssen wir jetzt dringlicher denn je unsere wirtschafts- und sicherheitspolitischen Hausaufgaben erledigen“, sagte er.
Lindner hat schon vor einiger Zeit den „Herbst der Entscheidungen“ für die Koalition ausgerufen. Er meinte damit vor allem den Haushalt für das nächste Jahr, der am 29. November im Bundestag verabschiedet werden soll. Daneben geht es ihm um eine Strategie, wie Deutschland aus der Wirtschaftskrise geführt werden soll. Dazu hat er Vorschläge gemacht, die den Streit in der Koalition eskalieren ließen. In seinem Konzept für eine Wirtschaftswende fordert Lindner unter anderem die endgültige Abschaffung des Solidaritätszuschlags auch für Vielverdiener und einen Kurswechsel in der Klimapolitik.
Gegen solche Ideen gibt es erheblichen Widerstand bei SPD und Grünen. Habeck ist Lindner aber auch einen Schritt entgegengekommen. Er hat sich am Montag bereiterklärt, die nach der Verschiebung des Baus eines Intel-Werks in Magdeburg frei werdenden Fördermilliarden zum Stopfen von Haushaltslöchern zu verwenden. „Nun erwarte ich allerdings auch, dass die anderen auch im eigenen Bereich mal Vorschläge machen“, fügte er aber hinzu.
Seit Montag suchen Scholz, Habeck und Lindner unterstützt von Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD) und zwei Staatssekretären nach Lösungen. Sollten sie heute zu einer Einigung kommen, die dann anschließend vom Koalitionsausschuss abgesegnet wird, müsste der Haushalt 2025 noch durch den Bundestag. Am 14. November ist die entscheidende Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses, bei der die letzten Details geklärt werden sollen. Zwei Wochen später stimmt das Plenum ab. Geht beides gut, hätte die Ampel die schwerste Hürde genommen und könnte weiterregieren. Weitere Differenzen würden aber bleiben, etwa um das strittige Rentenpaket oder auch die Migrationspolitik.
Sollte es am Mittwoch oder in der Nacht zu Donnerstag nicht zu einer Einigung kommen, droht das Ampel-Aus. Eine Möglichkeit wäre, dass die FDP aus der Regierung aussteigt. Theoretisch könnten die FDP-Minister auch von einem entnervten Kanzler Scholz entlassen werden. Das gilt aber als deutlich unwahrscheinlicher.
Scholz macht bisher nicht den Anschein, als würde er die Geduld verlieren. Am Dienstag appellierte er noch einmal auf etwas umständliche Weise an die Koalitionspartner, sich zusammenzureißen. „Klar ist, es ginge“, sagte er. „Insofern ist die Frage nicht, ob man es überhaupt hinkriegen kann, sondern es ist möglich, und da müssen jetzt alle arbeiten.“
Und wie geht es weiter, wenn die Ampel platzt? Sollte die FDP aussteigen, stünden SPD und Grüne vor der Frage, ob sie ohne eine Mehrheit im Parlament regieren oder eine Neuwahl einleiten wollen. Im Fall einer Minderheitsregierung wäre Rot-Grün bei jeder Entscheidung im Bundestag auf Unterstützung aus der Opposition angewiesen. Die Union dringt aber auf eine vorgezogene Bundestagswahl und dürfte sich deshalb kaum kooperativ zeigen. Es wäre also wahrscheinlicher, dass die Rest-Regierung früher oder später über eine Vertrauensfrage von Kanzler Scholz eine Neuwahl in die Wege leitet.
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