Der Angeklagte sitzt zwischen seiner Anwältin und seinem Anwalt in dem Ulmer Gerichtssaal an einem Tisch. Der Platz der Nebenklage gegenüber bleibt leer. Sechs Monate nach der Attacke auf einen Lehrer wird am Landgericht über Schuld oder Unschuld des 23-Jährigen verhandelt. Der Lehrer selbst erscheint an diesem ersten Tag der Verhandlung nicht.
Nach Darstellung der Staatsanwaltschaft hatte der Angeklagte den damals 34 Jahre alten Lehrer im vergangenen Februar mit einer Art Baseballschläger massiv auf den Kopf geschlagen und lebensgefährlich verletzt. Dabei habe er billigend in Kauf genommen, dass sein Opfer sterben könnte. Er habe versucht, einen Menschen zu töten, ohne Mörder zu sein, sagte Oberstaatsanwalt Michael Bischofberger zum Prozessauftakt. Dem Mann werden gefährliche Körperverletzung und versuchter Totschlag vorgeworfen.
In einer minutenlangen Erklärung zu Beginn der Verhandlung machte der Anwalt des Angeklagten, Dominik Hammerstein, deutlich, dass sein Mandant weiterhin seine Unschuld beteuert. „Und das aus gutem Grund: Er hat die Tat nicht begangen“, erklärte der Verteidiger. Erst drei Wochen nach der Tat war der frühere Schüler des Lehrers festgenommen worden.
Der Anklage zufolge war der Lehrer Ende Februar beim Verlassen des Schulgebäudes in Ulm mit einem Baseballschläger-ähnlichen Gegenstand auf den Kopf geschlagen worden. Er verlor sein Bewusstsein und kam mit einer lebensgefährlichen Kopfverletzung ins Krankenhaus. In dem Verfahren tritt der damals 34-Jährige als Nebenkläger auf.
Die Kammer soll in der Verhandlung auch die Frage des Tatmotivs klären. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hatte der 23-Jährige aus Rache zugeschlagen. Das Motiv? Der Lehrer habe sich gegenüber anderen ehemaligen und aktuellen Schülern übergriffig verhalten. Dagegen werde in einem separaten Verfahren noch ermittelt. Ob der Lehrer bei den kommenden Verhandlungstagen anwesend sein wird, dazu wollte sich dessen Anwalt Gunnar Kempermann nicht äußern.
Bereits 2021 hatte es nach Missbrauchsvorwürfen erste Ermittlungen gegen den Lehrer gegeben. Diese seien jedoch im Sande verlaufen, so der Verteidiger des Angeklagten. Damals hatte sich der 23-Jährige in einem Chat abfällig über den Lehrer geäußert, sei aber selbst nie von ihm schlecht behandelt worden. Ein Rache-Motiv könne auch auf andere Schülerinnen und Schüler zutreffen.
Der Verteidiger warf der Staatsanwaltschaft vor, einseitig und voreingenommen ermittelt zu haben. Die gegen seinen Mandanten erhobene Anklage beruhe auf unzureichenden Beweisen. Weder die ausgewerteten Geo- und Mobilfunkdaten noch DNA-Spuren bewiesen die Schuld des Angeklagten. Zudem könne niemand den 23-Jährigen klar als Täter identifizieren.
Am ersten Verhandlungstag schilderten neben zwei Polizeibeamten unter anderem auch ein Anwohner und eine Lehrerin die Geschehnisse. Der Anwohner gab an, die Szene aus einem Fenster beobachtet zu haben. Er habe gesehen, wie sich Täter und Opfer vor dem Angriff gegenüberstanden. Dann sei alles schnell gegangen. Die Lehrerin berichtete, den Anwohner mehrmals „Hör auf“ rufen gehört zu haben - daraufhin sei der mutmaßliche Täter geflüchtet. Insgesamt sollen bis Mitte Dezember mehr als 25 Zeuginnen und Zeugen aussagen.
Bei einer Verurteilung könnten dem Angeklagten mehrere Jahre Haft drohen. Derzeit sitzt er in Untersuchungshaft. Bis zum Urteil gilt die Unschuldsvermutung. Für die Verhandlung hat das Landgericht bislang sechs Fortsetzungstermine bis Mitte Dezember angesetzt.
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