Chinas Kommunistische Partei will die Macht von Xi Jinping ausweiten - auf Lebenszeit und darüber hinaus. Zum Auftakt des nur alle fünf Jahre stattfindenden Parteitages in Peking stimmte der Staats- und Parteichef das Milliardenvolk am Sonntag auf schwierige Zeiten ein und warnte vor „potenziellen Gefahren“.
In seiner Grundsatzrede rief der Präsident das Milliardenvolk dazu auf, sich „auf die schlimmsten Fälle vorzubereiten“: „Deswegen richtet euch darauf ein und seid vorbereitet, starken Winden, schwerer See und selbst gefährlichen Stürmen standzuhalten.“
International sah der Parteichef „immense Risiken und Herausforderungen“ sowie „globale Veränderungen, wie sie in einem Jahrhundert nicht gesehen worden sind“. Seine knapp zweistündige Rede in der Großen Halle des Volkes vor roten Fahnen sowie goldenem Hammer und Sichel war stark ideologisch geprägt. Er rief die rund 2300 Delegierten dazu auf, loyal seiner Führung zu folgen, um ein „modernes sozialistisches Land“ zu schaffen. Diese „chinesische Modernisierung“ werde einen Beitrag für die Menschheit leisten.
Die Delegierten werden ein neues Zentralkomitee bestimmen. Das Führungsgremium soll ihm nicht nur eine historische dritte Amtszeit sichern, sondern auch eine lebenslange Führungsrolle - ähnlich wie beim „großen Steuermann“ Mao Tsetung, dessen Alleinherrschaft aber im Chaos endete. Auch wird der Parteitag Xi Jinpings Ideologie tiefer in der Parteiverfassung verankern, damit sie als Leitlinie noch über Jahrzehnte Bestand hat. „Die beständigen Veränderungen werden im Wesentlichen sicherstellen, dass die Partei tun muss, was Xi Jinping sagt“, meinte Nis Grünberg vom China-Institut Merics in Berlin.
In seiner Rede bekräftigte Xi Jinping sein Leitmotiv vom „gemeinsamen Wohlstand“, mit der die Partei größeren Einfluss auf privates Kapital ausübt und eine bessere Einkommensverteilung anstrebt. Seine regulatorischen Eingriffe in Hightech-Konzerne und Privatunternehmen hatten aber nicht nur Investoren verschreckt, sondern auch das Geschäft einbrechen lassen. „Er hat kein Gespür und Sympathie für Märkte“, sagte Richard McGregor vom australischen Lowy Institut. Die „tollpatschigen Interventionen“ seien kostspielig geworden.
Mit seiner Rede enttäuschte Xi Jinping auch Hoffnungen, dass die strikte Null-Covid-Strategie des Landes gelockert werden könnte. Er nannte sie „notwendig“ und sah „ermutigende Errungenschaften“. Während der Rest der Welt versucht, mit dem Virus zu leben, verfolgt China weiter ein Null-Toleranz-Ziel. Die Lockdowns, Massentests, Quarantäne und digitale Kontaktverfolgung haben die zweitgrößte Volkswirtschaft allerdings in eine Wachstumskrise gestürzt.
Mitten in den wachsenden Spannungen mit den USA um Taiwan plädierte Xi Jinping für den Ausbau der Volksbefreiungsarmee und drohte mit einem Militäreinsatz gegen die demokratische Inselrepublik. China strebe eine friedliche „Vereinigung“ an, „aber wir werden uns niemals verpflichten, den Einsatz von Gewalt aufzugeben“. Peking betrachtet die Insel nur als Teil der Volksrepublik. Taiwan wies die Drohungen umgehend zurück: „Konfrontation ist definitiv keine Option“, sagte ein Präsidentensprecher in Taipeh. Taiwan sei ein unabhängiges Land.
Der Kongress findet unter massiven Sicherheitsvorkehrungen statt, die noch mal verschärft worden sind, nachdem es einen seltenen Protest eines Mannes an einer Brücke mit einem Banner gegen „Diktator Xi Jinping“ gegeben hatte. Nach Abschluss der einwöchigen Beratungen soll der 69-Jährige im Amt des Generalsekretärs und als Chef der Militärkommission bestätigt werden. Während er sich über bisher respektierte Amtszeitbegrenzungen hinwegsetzt, wird hingegen das Politbüro um ihn herum aus Altersgründen neu besetzt. Der Personalwechsel wird erste Hinweise auf die Regierungsumbildung im März geben, wenn Premier Li Keqiang als Premier abtreten wird.
Nach zehn Jahren Amtszeit von Xi Jinping zogen Beobachter kritisch Bilanz: „Wir haben uns von kollektiver Führung zu Alleinherrschaft entwickelt, von Amtszeitbegrenzungen zu lebenslanger Führung, von Leistung zu Loyalität, von privatem zu staatlichem Sektor, von Reichtum zu gemeinsamem Wohlstand, von Globalisierung zu technischer Eigenständigkeit“, sagte der China-Experte McGregor. Aus Koexistenz zwischen China und den USA sei auch noch „Konfrontation“ geworden.
Der chinesische Politikwissenschaftler Wu Qiang sah wachsende Isolation, indem China seine Grenzen wegen der Null-Covid-Politik abschottet und auf Eigenständigkeit setzt. „Ich glaube, dass 40 Jahre Reform und Öffnung zu einem Ende gekommen sind“, sagte der Dozent, der wegen kritischer Analysen die renommierte Tsinghua-Universität in Peking verlassen musste. „China ist durch Globalisierung sowie Reform und Öffnung stark geworden und hat diese Macht bewahrt, deswegen wird es nicht leicht sein, sich abzukoppeln.“ Aber ideologisch sei die Reform- und Öffnungspolitik längst aufgegeben worden.
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