Eine Kindergruppe kocht draußen Kartoffelsuppe mit selbstgesammelten Wildkräutern. Andere Kinder haben einen Kaufladen gebaut und verkaufen Löwenzahnblumen zum Essen. Zwei Vierjährige füttern die Ziegen.
„Das Futter ist alle, wir brauchen Gras“, sagt der vierjährige Levi. Der Bauernhof-Kindergarten im unterfränkischen Giebelstadt (Landkreis Würzburg) ist eine von bisher relativ wenigen Bauernhofkitas bundesweit. Ähnlich wie bei Waldkindergärten verbringen die Kinder die meiste Zeit im Freien.
Eine Erzieherin bastelt eine Blattpresse. Daneben liegt ihr Hund Hazel im Gras. Andere Kinder spielen im Sandkasten, malen, klettern oder fahren mit Laufrad und Spielzeugtraktor. Die Erzieher und Erzieherinnen haben Walkie-Talkies dabei, damit sie auf dem 5000 Quadratmeter großen Gelände miteinander kommunizieren können.
Jedes Kind hat einen Quadratmeter Acker, den es mit Unterstützung pflegt. Zudem machen sie jede Woche einen Ausflug zum Wald und kommen an weiteren Feldern vorbei.
„Die Kinder beobachten wöchentlich über das Jahr, wie die Saat wächst“, sagt Landwirt Ulrich Pabst, der den Kindergarten zusammen mit seiner Frau initiiert hat und betreibt. Schon Fünfjährige wüssten, wo das Essen herkommt und dass das Arbeit mache, meint der Landwirt.
„Durch den täglichen Umgang mit Hühnern und Ziegen haben die Kinder eine Vorstellung von Tierwohl“, sagt Pabst. Seine Familie betreibt seit 500 Jahren Landwirtschaft, seit acht Jahren in Bioqualität. Ehefrau Inge Moser-Pabst ist gelernte Lehrerin.
Die Idee zur Kita mit Ziegen, Hühnern und Acker kam den Eheleuten schleichend. Als die eigenen Kinder in die Schule kamen, fing das Paar mit ersten Schulaktionen an. „Äpfel zu Saft pressen, Kartoffeln pflanzen, so einfache Sachen“, erzählt der 63-Jährige. Der Bauernhof-Kindergarten hieß schließlich 2018 die ersten Kinder willkommen. Zuvor sei der örtliche Kindergarten so überfüllt gewesen, dass eine weitere Notgruppe im Keller eröffnet werden sollte.
Die Kita startete mit sechs Kindern. Jetzt dürfen es bis zu 28 sein. Das Mindestalter beträgt zweieinhalb Jahre. Der Betreuungsschlüssel ist wesentlich besser als in den allermeisten Kindergärten: In der Regel sind vier Erzieherinnen und Erzieher da, so dass etwa sechs Kinder auf jede Pädagogin kommen.
„Es ist der schönste Arbeitsplatz, den ich je hatte“, sagt Kita-Leiterin Elke Kleider. Die 56-Jährige hat früher als Krankenschwester gearbeitet und dabei Allergien entwickelt. Jetzt ist sie zusammen mit den Kindern jeden Tag an der frischen Luft. „Die Natur ist eine sehr gute Erzieherin“, meint Kleider. Die Kinder erlebten ganz natürlich Konsequenzen: Die Tiere laufen weg, wenn die Kinder sie zu grob behandeln. Handschuhe werden nass, wenn ein Kind sie draußen liegen lässt und es regnet.
Kleider ist der Meinung, dass Kinder in Bauernhof- und Waldkitas anders spielten als in Regelkindergärten. Kreativer. Das hat auch Tatia Michel so erlebt. Sie ist Mutter des dreieinhalbjährigen Elias, der den Bauernhof-Kindergarten seit September besucht. Zuvor war er in einer Regelkita.
„Wenn ich Elias abhole, ist er immer entspannt und hat auch nachmittags noch viel Energie“, erzählt die Mutter. Früher sei er nach der Kita oft eher gereizt gewesen und habe seine Ruhe gewollt. Auch im Winter habe die Bauernhofkita Elias Spaß gemacht. „Die Angst, dass es zu kalt und ungemütlich sein könnte, war eher meine eigene“, sagt Michel, die selbst Sonderpädagogin ist.
Etwa 80 Bauernhofkitas gibt es laut der Bundesarbeitsgemeinschaft Lernort Bauernhof (BAGLoB) mit Sitz in Berlin inzwischen bundesweit. Davon die meisten in Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Auch Bauernhofkrippen für Kinder unter drei Jahren existierten vereinzelt. Die erste Bauernhofkita in Deutschland eröffnete laut BAGLoB vor etwa 20 Jahren in Schleswig-Holstein.
Nicht alle Bauernhofkitas sind gleich. Nur manche befinden sich auf einem aktiv-bewirtschaftetem Bauernhof. Andere sind nur in Nähe zu einem Hof angesiedelt oder machen regelmäßig Hofausflüge. Manche befinden sich auch auf ehemaligen Höfen.
Für Landwirte können Kitas ein Zubrot sein. Allerdings oft ein aufwendiges. Finanziell profitieren Landwirte laut BAGLoB vor allem von Verpachtung. Manchen Landwirten erlaube das Konzept aber auch, Tierarten zu halten, die sich rein landwirtschaftlich nicht mehr lohnen. „Das kann Landwirtschaft in kleinen Strukturen wieder möglich machen“, sagt BAGLoB-Sprecherin Annette Müller-Clemm.
Während Waldkitas inzwischen weitverbreitet sind, ruft das Wort „Bauernhofkindergarten“ offenbar oft noch Fragezeichen hervor. „Bauernhöfe, die Kitas installieren wollen, sind immer noch Pioniere“, sagt Müller-Clemm. Gerade Behörden seien oft überfordert mit dem für sie noch neuen Begriff. „Dabei hilft es auf schon bestehende Bauernhofkitas hinzuweisen“, sagt Müller-Clemm.
Auch Ulrich Pabst und seine Frau haben anfangs Skepsis bei Behörden wie Gesundheits- und Jugendamt erfahren. Eine Spielscheune für schlechtes Wetter hätten die Behörden aus Sicherheitsbedenken untersagt. Daher hat das Paar stattdessen Bauwagen wie in Waldkitas organisiert.
„Das kannten die Behörden schon und haben es durchgewunken“, erzählt Pabst. Den Waldkitas ist der Landwirt sehr dankbar. „Sie haben viel Pionierarbeit bei Naturpädagogik geleistet und uns den behördlichen Weg geebnet“, meint der Bauernhof-Landwirt.
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