Düstere Aussichten für den Wohnungsbau in Deutschland trotz starker Nachfrage in vielen Regionen: Nach einem Einbruch der Baugenehmigungen 2023 auf den niedrigsten Stand seit mehr als zehn Jahren droht sich die ohnehin angespannte Lage noch zu verschärfen. „Die fehlenden Baugenehmigungen werden zu fehlenden Wohnungen in den kommenden Jahren führen und den Markt noch weiter aufheizen“, warnte der Zentralverband Deutsches Baugewerbe.
Nach vorläufigen Daten des Statistischen Bundesamtes sanken die Genehmigungen der Baubehörden im vergangenen Jahr um 26,6 Prozent auf 260.100 Wohnungen. Niedriger war die Zahl zuletzt im Jahr 2012 mit damals 241.100 Einheiten. Das von der Bundesregierung ursprünglich ausgegebene Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr liegt in weiter Ferne.
Die Baugenehmigungen sagen zwar nichts darüber aus, wie viele Wohnungen im vergangenen Jahr tatsächlich gebaut wurden - voraussichtlich Ende Mai gibt das Statistische Bundesamt dazu Zahlen bekannt. Die Bewilligungen sind aber ein wichtiger Indikator der künftigen Bauaktivität.
Nach Schätzungen des Ifo-Instituts wurden im vergangenen Jahr 270.000 Wohnungen gebaut. Für das laufende Jahr rechnet das Münchner Wirtschaftsforschungsinstitut mit lediglich 225.000 Fertigstellungen. Zugleich ist gerade in vielen Städten der Wohnungsmangel groß, was die Mieten zuletzt stark nach oben getrieben hat.
Privaten Bauherren wie Unternehmen machen vor allem gestiegene Zinsen für Immobilienkredite und höheren Baupreise zu schaffen. Besonders im Wohnungsbau werden deswegen viele Vorhaben verschoben oder abgesagt. Das Ifo-Geschäftsklima im Wohnungsbau fiel im Januar auf den niedrigsten jemals gemessenen Wert. „Der Ausblick auf die kommenden Monate ist düster“, sagte Ifo-Umfrageleiter Klaus Wohlrabe jüngst. Neuaufträge blieben aus, zugleich würden weitere Projekte storniert, mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen klage über Auftragsmangel.
Die Branche kritisiert zudem teils unzureichende Förderangebote und hohe staatliche Abgaben. Gemeint sind staatlich bedingte Kosten beim Bau von Wohnungen, etwa die Grunderwerbsteuer, Umsatzsteuer, technische Baubestimmungen oder energetische Anforderungen. „Bauen ist heute faktisch unmöglich“, sagte der Präsident des Zentralen Immobilien-Ausschusses, Andreas Mattner jüngst.
Der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen forderte, die Bundesregierung müsse beim Wohnungsbau endlich Gas geben. „Wir befinden uns in einer tiefen Wohnungsbaukrise. Die bislang von der Regierung eingeleiteten Maßnahmen wirken offenkundig zu langsam und sind zu wenig“, sagte Verbands-Präsident Axel Gedaschko. „Wir brauchen ein groß angelegtes Zinsförderprogramm für bezahlbaren Wohnungsbau – und zwar jetzt.“
Das Baugewerbe mahnte eine schnelle Verabschiedung des Wachstumschancengesetzes an. „Die Bauunternehmerinnen und -unternehmer kämpfen mit ihren Beschäftigten um die Existenz und haben kein Verständnis für politische Spielchen“, sagte Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer Zentralverband Deutsches Baugewerbe. Die Union knüpft ihre Zustimmung im Bundesrat zum ausgehandelten Kompromiss des Vermittlungsausschusses daran, dass die Regierungsseite die geplanten Kürzungen der Agrardiesel-Subventionierung zurücknimmt.
In den Zahlen der Statistiker sind sowohl die Baugenehmigungen für Wohnungen in neuen Gebäuden als auch Umbauten enthalten. In neu zu errichtenden Wohngebäuden wurden im vergangenen Jahr insgesamt 214.100 Wohnungen bewilligt. Das waren 29,7 Prozent weniger als im Vorjahr. Besonders deutlich sank die Zahl der Baugenehmigungen für Einfamilienhäuser (minus 39,1 Prozent auf 47.600) und Zweifamilienhäuser (minus 48,3 Prozent auf 14.300 Wohnungen). Diese Gebäudearten werden im Allgemeinen von Privatpersonen errichtet. Etwa zwei Drittel der Neubauwohnungen in Deutschland entstehen den Angaben zufolge in Mehrfamilienhäusern, die überwiegend von Unternehmen gebaut werden. Hier fiel die Zahl der Bewilligungen um 25,1 Prozent auf 142.600 Wohnungen.
„Die Realität ist eine lähmende Kombination aus anhaltend hohen Baukosten und Zinsen bei gleichzeitig fehlender Förderung. So kann aktuell fast keiner mehr bauen, vor allem nicht bezahlbar für die Mittelschicht“, beschrieb Gedaschko die aktuelle Lage.
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