Die derzeitige Schwäche der deutschen Wirtschaft trifft Bayern überdurchschnittlich: Im ersten Halbjahr ist die Wirtschaftsleistung im Freistaat nach vorläufigen Zahlen inflationsbereinigt um 0,6 Prozent geschrumpft, verglichen mit einem bundesweiten Rückgang von 0,2 Prozent. Das teilte das Statistische Landesamt in Fürth mit.
Bayern lag damit in der Rangliste der am stärksten von der Wirtschaftsschwäche getroffenen Bundesländer auf Platz vier. In der Wirtschaft sehen viele Manager und auch Verbandsfunktionäre die derzeitige Krise mehr als nur eine der üblichen zyklischen Konjunkturflauten, sondern als Zeichen grundlegender Schwächung.
Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft - Dachverband der beiden Metallarbeitgeberverbände bayme und vbm - wertete die Meldung des Landesamts als Alarmsignal: „Die Deindustrialisierung ist in vollem Gange und wir befinden uns in einer Strukturkrise“, sagte vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Für Bayerns Wirtschaft als einer der größten Industriestandorte in Deutschland sei das ein dramatisches Signal mit bundespolitischer Bedeutung. Brossardt forderte die Berliner Koalition zur Entlastung der Unternehmen von Kosten und Bürokratie auf, sowie mit Blick auf die laufenden Tarifverhandlungen in der Metallindustrie einen maßvollen Tarifabschluss.
Der bayerische DGB-Vorsitzende Bernhard Stiedl widersprach: „Bayern erlebt keinen Niedergang der Industrie, sondern befindet sich in einem notwendigen Wandel“, betonte er. Energiewende, Digitalisierung der Umbau hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft seien große Herausforderungen, aber auch Chancen. „Wer diesen Wandel als „Strukturkrise” diffamiert, ignoriert die Realität: Es geht nicht darum, den alten Status quo zu bewahren, sondern die Wirtschaft fit für die Zukunft zu machen“, sagte Stiedl. „Statt jetzt einseitig nach Entlastungen für Unternehmen zu rufen und „maßvolle” Tarifabschlüsse zu fordern, sollten wir den Fokus auf Investitionen in Innovation, Weiterbildung und nachhaltige Strukturen legen.“
Den größten Rückgang verzeichnete Baden-Württemberg mit einem inflationsbereinigten Minus von 1,3 Prozent. Auch in Bremen (-1,0) und Sachsen (-0,7) war die Wirtschaftsentwicklung noch schwächer als in Bayern.
Das Landesamt äußerte sich zu den Ursachen nicht. Sowohl in Bayern als auch in Baden-Württemberg spielt jedoch die exportorientierte Industrie eine große Rolle, die derzeit in vielen Auslandsmärkten sowohl mit schwacher Nachfrage als auch stärker werdender chinesischer Konkurrenz zu kämpfen hat. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) machte die Berliner Bundesregierung verantwortlich.
Nominell - das heißt ohne Berücksichtigung der Inflation - wuchs die bayerische Wirtschaft im ersten Halbjahr um 3,6 Prozent. Die Daten sind eine vorläufige Berechnung des Arbeitskreises „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“. Das Landesamt wies vorsorglich darauf hin, dass sich in späteren Berechnungen deutliche Abweichungen ergeben könnten.
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