Knapp drei Monate nach der peinlichen Pleite vor Gericht hat die bayerische Staatsregierung ihre umstrittene Wolfsverordnung unverändert neu erlassen. Dies hat das Kabinett beschlossen. Damit steht auch fest, dass die Verordnung erneut ein Fall für den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof wird. Der Bund Naturschutz (BN) kündigte umgehend eine erneute juristische Auseinandersetzung an, wie ein Sprecher des Verbandes auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur erklärte.
Der Chef der Staatskanzlei, Florian Herrmann (CSU) erklärte, die Staatsregierung sehe der erneuten Klage gelassen entgegen. Die Politik dürfe sich nicht selbst lähmen, weil sie Angst vor möglichen Gerichtsentscheidungen habe.
Mitte Juli hatte das Gericht die Verordnung gekippt, weil sie einen Formfehler im Gesetzgebungsverfahren erkannt hatte. Die Staatsregierung hatte auf die Beteiligung von anerkannten Naturschutzverbänden verzichtet, hätte diese aber zu Wort kommen lassen müssen.
Vertreter der Staatsregierung hatten bereits unmittelbar nach dem Urteil erklärt, die Verordnung inhaltlich nicht ändern zu wollen. Nach den Worten von Herrmann sei die Verbandsanhörung nun nachgeholt worden, inhaltlich habe das aber keine Auswirkungen auf das Regelwerk. Er betonte aber auch, dass er die Sichtweise des Gerichts zur Notwendigkeit der Verbandsanhörung nicht teile.
Das zweite Gerichtsverfahren dürfte sich damit nun auch der inhaltlichen Frage stellen, ob die bayerische Regelung mit Bundes- und EU-Recht vereinbar ist. Im ersten Verfahren war es wegen des Formfehlers gar nicht zu einer rechtlichen Würdigung gekommen.
Aus Sicht des BN strotzte die Wolfsverordnung nur so von rechtswidrigen Regelungen. So sei es beispielsweise nicht haltbar, dass ein Wolf, der sich auf 200 Meter an Gebäude annähere, für Menschen eine Gefahr darstelle. Auch bei der Definition der nicht durch Zäune oder andere Hilfsmittel schützbaren Gebiete sei die Staatsregierung weit über das Ziel hinausgeschossen. Diese Beurteilung müsse objektiven und nachvollziehbaren Kriterien folgen und sei kein Wunschkonzert, um die Meinung der Staatsregierung durchzusetzen.
„Die inhaltlichen Mängel sind offensichtlich. Die Staatsregierung handelt hier grob fahrlässig und verschwendet Zeit und Steuergelder“, sagte der Vorsitzende des Bund Naturschutz in Bayern, Richard Mergner. Die Verordnung setze sich über geltendes nationales und europäisches Naturschutzrecht hinweg.
Der umstrittenen bayerischen Regelung zufolge durften theoretisch zwischen Mai 2023 und Mitte Juli 2024 Wölfe abgeschossen werden, wenn sie die Gesundheit des Menschen oder die öffentliche Sicherheit gefährden - etwa wenn sie sich mehrfach Menschen auf unter 30 Meter nähern oder wenn sie über mehrere Tage in einem Umkreis von weniger als 200 Metern von geschlossenen Ortschaften, Gebäuden oder Stallungen gesehen werden. Angewendet wurde die Verordnung in der Zeit aber nie.
Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger sagte, man habe nun die Vorgabe der Gerichte aufgegriffen. „Es ist dringend notwendig, dass wir die Bestände des Wolfes kontrollieren und reduzieren“, betonte er. Es gehe darum, lösbare Probleme auch lösen zu können – was bisher durch juristische Querschüsse immer wieder verhindert worden sei. Der Bund sei zudem nun gefordert, den günstigen Erhaltungszustand des Wolfes festzustellen. „Wir haben an die 2000 Wölfe in Deutschland, haben irgendwie knapp 100 Wölfe wohl in Bayern mit an die 10 Rudeln mittlerweile.“
Die bayerische Wolfsverordnung ist nicht nur bei Tier- und Naturschützern umstritten: Auch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags war bereits zu dem Ergebnis gekommen, dass sie nicht mit dem geltenden Bundes- und EU-Recht vereinbar sei. Darin wird bezweifelt, dass Wölfe getötet werden können, obwohl erfolgte Schäden an Weidetieren diesen nicht eindeutig zugeordnet wurden oder werden.
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