Die Story beginnt mit einem Schock: Eben noch waren Germaine (François Berléand) und Lise (Dominique Reymond) glücklich. Plötzlich steht er nach 50 Ehejahren allein da. Lise ist völlig unerwartet gestorben. Was bleibt, ist ein Versprechen: Sie hatten einander zugesichert, als Überlebende jeweils das wichtigste unvollendete Vorhaben des gestorbenen Gegenübers abzuschließen. Für den übergewichtigen, unsportlichen Germaine heißt das, dass er Lises Aufgaben in einem Tanz-Ensemble übernehmen muss.
Aus der Konstellation alter Mann und moderner Tanz ließe sich leicht Krachkomik gewinnen. Doch die vermeidet die schweizerische Autorin und Regisseurin Delphine Lehericey mit feinem Humor. Wie in jeder guten Komödie beruht aller oft kräftige Witz auf Ernsthaftem. Beleuchtet wird nämlich der Umstand, dass die bürgerliche Gesellschaft alten Menschen zu oft das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben abspricht.
Im Fall von Germaine sind es vor allem die Kinder, die ihm mit zu viel Fürsorge das Leben schwer machen. Er empfindet ihre tatsächlich großen Bemühungen als Überwachung auf Schritt und Tritt. Mit Hilfe der weltberühmten spanisch-schweizerischen Choreographin La Ribot, die sich im Film selbst spielt, gelingt es Germaine allerdings, dem goldenen Käfig zu entkommen. Wesentlich unterstützt ihn dabei der junge Tänzer Samir (Kacey Mottet Klein).
Wortwitz, Situationskomik und Nachdenklichkeit lassen manche Lachsalve in eine Träne der Traurigkeit münden. Sentimental wird das aber nie. Dafür sorgt das vom Pariser Theaterstar François Berléand („Die Kinder des Monsieur Mathieu“) als Germaine angeführte Schauspielensemble. Die Akteure brillieren mit spürbarer Spiellust. Einige Kinobesucher könnte der Film dazu ermutigen, es selbst mit dem modernen Tanz zu versuchen. Beim Internationalen Filmfestival 2022 in Locarno gab es dafür den begehrten Publikumspreis.
- Last Dance, Schweiz/Belgien 2022, 84 Min., von Delphine Lehericey, mit François Berléand, Kacey Mottet Klein.
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