Die chinesische Zentralbank hat vor dem Hintergrund enttäuschender Konjunkturdaten erneut an der Zinsschraube gedreht. Wie das Institut mitteilte, wurde der Zinssatz für Kredite mit einer einjährigen Laufzeit um 0,15 Punkte auf 2,5 Prozent gesenkt. Es ist die zweite Zinssenkung seit Juni.
Ebenfalls am Dienstag legte das Pekinger Statistikamt Konjunkturdaten vor, die überwiegend schwächer ausfielen als Analysten erwartet hatten. Demnach stieg die Industrieproduktion im Juli im Jahresvergleich um 3,7 Prozent und lag damit unter den Prognosen. Auch das Wachstum der Einzelhandelsumsätze verlangsamte sich erneut - auf nur noch 2,5 Prozent. Der angeschlagene Immobiliensektor verzeichnete einen Rückgang der Investitionen um 8,5 Prozent.
Überraschenderweise machte die Behörde keine Angaben zur Entwicklung der zuletzt sehr hohen Jugendarbeitslosigkeit. Mehr als jeder fünfte junge Chinese fand zuletzt keinen Job. Ein Sprecher der Statistikbehörde sagte, die Statistik werde ausgesetzt und überarbeitet.
„Der Hauptgrund ist, dass die Arbeitsstatistiken angesichts der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung weiter optimiert werden muss“, so Fu Linghui, Sprecher des Nationalen Statistikbüros. Insbesondere werde geprüft, ob Studenten, die vor ihrem Abschluss einen Job suchen, in die Arbeitsstatistik aufgenommen werden sollten.
Auch der chinesische Außenhandel hatte zuletzt keine Anzeichen einer Erholung gezeigt: Nach bereits starken Rückgängen in den Vormonaten waren die Exporte im Juli im Jahresvergleich um 14,5 Prozent gesunken, hatte die Zollbehörde bereits vergangene Woche mitgeteilt. Die Importe der zweitgrößten Volkswirtschaft waren demnach um 12,4 Prozent gesunken. Beide Werte fielen noch schlechter aus als von Analysten erwartet.
Auf die stark gewachsene Bedeutung der chinesischen Exporte für Deutschland und Europa macht unterdessen eine neue Untersuchung aufmerksam. Demnach sind Chinas Anteile an den EU-Importen in den vergangenen 23 Jahren „durchgängig und sehr deutlich gestiegen“. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft, die den Zeitraum 2000 bis 2022 untersucht hat. Deutschlands Anteile an den EU-Importen seien dagegen „insgesamt und in zahlreichen anspruchsvollen industriellen Produktgruppen“ seit 2005 im Trend rückläufig.
Der Rückgang habe sich in vielen Bereichen zuletzt beschleunigt. „Chinesische Anteilsgewinne und deutsche Anteilsverluste gehen in vielen Perspektiven oft zeitlich Hand in Hand“, schreibt Studienautor Jürgen Matthes. Zuvor hatte das „Handelsblatt“ über die Studie berichtet.
Bei den gesamten Warenimporten sei der Anteil Chinas an den EU-Importen von 2,6 Prozent im Jahre 2000 auf 8,8 Prozent im vergangenen Jahr gestiegen. Der deutsche Anteil sei im gleichen Zeitraum dagegen von 14,3 auf 12,5 Prozent gesunken. Bei den sogenannten anspruchsvollen Industriegütern wie etwa Maschinen, Chemie- oder Pharma-Erzeugnissen kletterte der Anteil Chinas von 2,5 Prozent (2000) auf 13,0 Prozent (2022).
Der Anteil Deutschlands ging gleichzeitig von 17,7 Prozent auf 15,5 Prozent zurück. Matthes äußerte sich besorgt über den Befund: „Hier könnte sich eine strukturelle Entwicklung anbahnen, da das industrielle deutsche Geschäftsmodell derzeit auch aufgrund hoher Energiekosten unter Druck steht.“
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