Dachsbacher Kultrind: Ein Nixnutz namens Frodo | FLZ.de

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Veröffentlicht am 08.08.2020 09:03

Dachsbacher Kultrind: Ein Nixnutz namens Frodo

Schmuse-Einheiten für Frodo: Tanja Übelmesser kümmert sich rührend um ihr Holstein-Rind. Das Foto entstand vor wenigen Jahren, seitdem ist Frodo noch ein ganzes Stück gewachsen. (Foto: Dr. Johannes Hermann)
Schmuse-Einheiten für Frodo: Tanja Übelmesser kümmert sich rührend um ihr Holstein-Rind. Das Foto entstand vor wenigen Jahren, seitdem ist Frodo noch ein ganzes Stück gewachsen. (Foto: Dr. Johannes Hermann)
Schmuse-Einheiten für Frodo: Tanja Übelmesser kümmert sich rührend um ihr Holstein-Rind. Das Foto entstand vor wenigen Jahren, seitdem ist Frodo noch ein ganzes Stück gewachsen. (Foto: Dr. Johannes Hermann)

Er ist gut 1,90 Meter groß, bringt schlappe 900 Kilo auf die Waage und ist ein Nichtsnutz: Frodo, ein Holstein-Rind. Mehrfach sprang er dem Tod haarscharf von der Schippe – er lebt eigentlich nur noch, weil es Menschen mit großem Herzen gibt.

Trotz oder womöglich sogar wegen dieser verkorksten Vita ist Frodo in Dachsbach fast ein Superstar: Die Kerwaburschen widmeten ihm einen Wagen, er erhielt sogar Fanpost, und beim Gassigehen kennt ihn jeder. Ja, Frodo ist eine coole Sau. Pardon, ein cooles Rind.

Idyllisch liegt es da, am Dachsbacher Ortsrand, das Rinder-Schlaraffenland von Dr. Johannes Hermann und seiner Lebensgefährtin Tanja Übelmesser. Im Mittelpunkt dort steht, wie sollte es anders sein, Frodo, das schwarzbunte Rind. Knapp sechs Jahre lebt er jetzt dort, mittlerweile ist seine Box sogar namentlich gekennzeichnet: „Nixnutztier Frodo“ steht auf einem Schild – ein Geburtstagsgeschenk von Hermann und Übelmesser für ihren Liebling.

Doch um ein Haar hätte es diese einzigartige Mensch-Tier-Beziehung nie gegeben, denn nach der Geburt sah es für das kleine Kalb schlecht aus: zu früh geboren, extrem schwach und der Nabel entzündet. Der Landwirt rief eigentlich nur bei Hermann an, weil er es einschläfern lassen wollte. Denn Holstein-Rinder sind eine Milchviehrasse, männliche Kälber sind nicht beliebt – sie geben keine Milch und bringen auf dem Fleischmarkt nur rund 30 Euro pro Kalb, weniger als ein Wellensittich im Zoofachhandel kosten würde.

Zwar sind die meisten Landwirte im hiesigen Landkreis wahre Tierfreunde, die sich kümmern, betonen Hermann und Übelmesser. Allerdings stehen sie finanziell immer stärker unter Druck, die Politik macht ihnen das Leben zusehends schwer, und viele haben damit zu kämpfen, davon leben zu können. Geld für ein unwirtschaftliches Tier ist da häufig einfach nicht übrig.

Also sollte Hermanns Tierarzt-Kollegin Frodos Leben ein Ende setzen – sie machte sich auf, das kleine Kälbchen einzuschläfern. Doch die treuen Glubschaugen und der Putzigkeitsfaktor: „Sie hat es nicht übers Herz gebracht.“ Also stand sie kurze Zeit später mit dem kleinen Frodo auf dem Arm im Dachsbacher Stall. Der Beginn einer Liebesgeschichte.

„Ach Gott, jetzt steht der immer noch da“

Die Landwirte spotten gerne über Frodo und sein „Personal“ – kommt ein Bauer auf den Hof und wirft einen Blick in den Stall, heißt es zumeist: „Was ist denn des?“ oder „Ach Gott, jetzt steht der immer noch da. Wollt ihr den nicht mal schlachten?“ Und dann stellen sie die eine Frage: „Was nutzt euch dieses Vieh denn?“ Ein Nutztier sei er ja schließlich nicht, der Frodo. Die Antwort des Paares: „Er bringt uns nichts. Er ist unser Nixnutztier.“ So wurde der Name Programm.

Wobei „Nixnutztier“ streng genommen ein wenig frech ist – schließlich diente Frodo anfangs als Alarmanlage: Er brüllte aus voller Kehle, wenn ein Fremder in den Stall kam. Gestohlen hat ihn bis heute auch niemand. Ein Wunder ist das nicht, denn finanziell betrachtet ist Frodo ein Desaster. Was Krankheiten angeht, ließ er nichts aus. Ein entzündeter Nabel, Klauengeschwüre, Lungenentzündungen. Das Kult-Rind lag schon häufig auf Hermanns OP-Tisch, hinzu kommen weitere Behandlungen. „Wirtschaftlich ist das nicht“, scherzt Hermann. Wie viel sie schon investieren mussten, das zählen sie nicht. „Wir machen dafür keinen Urlaub“, sagt Übelmesser, denn ihr Lebensgefährte Dr. Johannes Hermann ist als Tierarzt stets auf Achse. „Man muss sich auch mal was gönnen“, sagt sie. Ihr Luxus ist eben kein Porsche, sondern Frodo. Gelebte Tierliebe.

„Das ist ein bisschen wie ein Kind, das ich großgezogen habe.“ Schließlich hat das menschliche Duo viel Zeit mit ihrem tierischen Liebling verbracht – Kuscheleien inklusive. Die Dachsbacher Ortsburschen texteten einst für Hermann und seinen Frodo auf einem Wagen: „Is ja quasi a Hund in groß, kann na beschüdzn, bassd bloß ned in sein Schoß. Deshalb geht er a so mid na um, gibd na Futter, Schdreichl-Einheidn und alles drum rum.“

Ein tierischer Sturkopf

Ja, Frodo ist ein Charakterrind, „ein echter Sturkopf“, erklärt Übelmesser. Sie geht gerne mit ihm Gassi, doch das Ende des Spaziergangs bestimmt meist nicht sie. „Wenn Frodo keine Lust mehr hat, dreht er einfach um.“ Hermann wollte ihn einst zum „Reitrind“ dressieren, rief sogar eine Kuhtrainerin aus der Schweiz an – wegen der Expertise. Ergebnis: Frodo war zu stur, geritten ist auf ihm bis heute niemand. „Das ist halt der Frodo, der darf alles.“ Immerhin: Pfeift man, kommt Frodo angestackselt wie eine Jugendliche, die das erste Mal in ihrem Leben auf High-Heels läuft.

Das Holstein-Rind ist außerdem ein echter Macho – eigentlich mag er nur Frauen. Unbekannte, Kinderwagen oder kleine Menschen kann Frodo nicht ausstehen: „Alles, was kleiner als ein Meter ist, ist ihm suspekt“, scherzt Übelmesser. Am allerliebsten verbringt er jedoch Zeit mit seiner Herzensdame Esme, einer schicken Kuh. So darf Frodo mit maximalen Freiheiten seinen Rindertraum leben. Wie alt solche Holstein-Ochsen werden, ist übrigens kaum bekannt, weil sie zumeist in jungen Jahren geschlachtet werden. Für Frodo gilt: Und wenn er nicht gestorben ist, entspannt er sich noch heute.

Johannes Zimmermann

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