Bei der einen schießt beim Treppensteigen der pure Schmerz ins Knie. Der andere kämpft jedes Mal, wenn er ein Gurkenglas öffnen will - und die Finger steif sind. Menschen mit Arthrose haben manchmal das Gefühl: Meine Gelenke wollen einfach nicht wie ich.
Die Erkrankung tritt meist mit zunehmendem Alter auf, am häufigsten sind Knie- und Hüftgelenk betroffen. Beim Begriff Arthrose denken viele in erster Linie an den Verschleiß der Gelenke. „Das berücksichtigt aber nicht einen anderen wichtigen biologischen Aspekt von Arthrose: die Entzündung“, sagt Prof. Hanno Steckel, Orthopäde in Berlin. Die Gelenke schmerzen nicht nur und sind in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt, oft sind sie auch geschwollen und voller Gelenkerguss. Das heißt: Es sammelt sich Flüssigkeit im Inneren des Gelenks an.
Heilbar ist Arthrose nicht. Ist Knorpelmasse einmal abgebaut, gibt es kein Medikament, keine Übung, kein Nahrungsergänzungsmittel, das sie wieder herbeizaubern kann. „Aber man kann diese Entzündungsreaktion zurückfahren und mit vielen kleinen Stellschrauben die Arthrose behandeln und damit eine gute Lebensqualität erreichen“, sagt Steckel. Das gilt vor allem dann, wenn die Erkrankung noch nicht fortgeschritten ist.
Dabei ist aber auch wichtig, die Erkrankung erst einmal zu verstehen. Hier kommen die wichtigsten Infos.
Schaut man sich so ein Gelenk näher an, zeigt sich: Da liegt nicht Knochen auf Knochen. An den Gelenkflächen sind die jeweiligen Knochen von Knorpelgewebe umhüllt. Das ist ein ganz besonderes Gewebe, wie Sven Ostermeier von der Gelenkklinik Gundelfingen erklärt.
Darin gibt es Knorpelzellen, zum Großteil besteht es aber aus Wasser, das durch Kollagenfasern gebunden ist. „Diese Fasern sind in einer einzigartigen Weise gewebt und halten das Wasser“, sagt der leitende Orthopäde. „Das macht unser Knorpelgewebe so elastisch.“ In gewissen Abständen sitzen in diesem Gewebe Knorpelzellen, die es aufrecht und stabil halten.
Im Zuge einer Arthrose verändert sich das Knorpelgewebe: Es kommt zu einem Untergang von Knorpelzellen. „Das Kollagenfaser-Gewebe platzt dann an manchen Stellen so richtig auf“, beschreibt Sven Ostermeier. Dadurch kommen wichtige Inhaltsstoffe des Knorpels abhanden. All das hat Folgen: „Der Knorpel verliert an Elastizität, an Widerstandsfähigkeit und wird zunehmend zerstört.“
Dazu setzt der Entzündungsprozess ein. Im fortgeschrittenen Stadium einer Arthrose reibt schließlich Knochen auf Knochen, weil dazwischen kein Knorpelgewebe mehr liegt. Spätestens dann ist der Alltag von Schmerzen geprägt. „Denn Knochen haben, anders als Knorpel, Nervenzellen“, sagt Sven Ostermeier.
Ein typischer Risikofaktor ist eine Überlastung des Knorpels, etwa durch eine Verletzung. „Wenn zum Beispiel die Kniescheibe herausspringt, verletzt das den Knorpel richtig“, sagt Sven Ostermeier.
Überlastung muss aber nicht auf ein einzelnes Ereignis zurückgehen, sie kann auch auf Dauer ein Problem sein. Wenn man als Friseurin im Job tagtäglich das Daumensattelgelenk fordert. Oder mit unbehandelten Beinfehlstellungen durch das Leben läuft. „Bei O- oder X-Beinen haben wir eine punktuelle Mehrbelastung eines Knorpelbereichs im Kniegelenk, der dann eben auch zum Untergang von Knorpel führt“, sagt Ostermeier.
Auch Übergewicht führt zu so einer dauerhaften Belastung für die Gelenke und ist damit „einer der größten Risikofaktoren für Arthrose“, wie Hanno Steckel sagt. Übrigens spielt auch die Genetik eine Rolle: Einige Menschen neigen eher zu einer Arthrose als andere.
Generell gilt: Je weniger weit der Knorpelverlust fortgeschritten ist, desto mehr lässt sich mit Veränderungen im Lebensstil erreichen, so Sven Ostermeier.
Die Mediziner sind sich einig: Zeigt die Waage zu viel an, lohnt sich das Abnehmen. „Beim Gehen betragen die Kräfte, die auf Hüfte und Knie einwirken, ungefähr das 2,5-fache des Körpergewichtes“, sagt Hanno Steckel. „Nimmt man also zum Beispiel 15 Kilo ab, hat das einen wahnsinnigen Effekt.“ Die Gelenke werden entlastet, weiterer Verschleiß und Entzündung damit ausgebremst.
Und was ist der größte Hebel, wenn man Normalgewicht hat? Bei einer Arthrose in den Hüftgelenken etwa sagt Steckel: „Da bringt Mobilität unglaublich viel. Wenn sie das Gelenk beweglich halten, nicht einsteifen lassen, kommen viele Patienten über eine sehr lange Zeit gut mit ihren Arthrosen zurecht.“ Dabei können Sportarten helfen, die gezielt die Beweglichkeit trainieren - etwa Yoga oder Pilates.
Viel Potenzial liegt also in einer Umstellung des Lebensstils: hin zu mehr Bewegung, einer ausgewogenen Ernährung. Auch mit Blick auf Arthrose gilt: Es lohnt sich, mit dem Rauchen aufzuhören. Gerade wer regelmäßig Schmerzmittel einnimmt, sollte zudem auf Alkohol verzichten, um Wechselwirkungen auszuschließen.
Antientzündliche Ernährung ist hier das Stichwort. Dazu gehört, Produkte wegzulassen, die entzündliche Prozesse im Körper befeuern. Das sind zum Beispiel Weißmehlprodukte, Zucker und stark verarbeitete Fleischprodukte, wie Hanno Steckel aufzählt. Auch auf Frittiertes sollte man verzichten, weil darin Transfettsäuren stecken.
Stattdessen gilt dem Mediziner zufolge: „Wenig Fleisch, viel Gemüse, komplexe Kohlenhydrate wie in Vollkornprodukten.“ Wer zudem ungesättigte Fettsäuren, insbesondere Omega-3-Fettsäuren, in die Ernährung einbaut, kann ebenfalls entzündliche Prozesse ausbremsen. Letztere stecken etwa in fettreichem Fisch wie Lachs oder Makrele, aber auch in Walnüssen und Leinsamen.
Und wer wärmend-würzige Currys oder Tees liebt, macht damit für die Gelenke schon einiges richtig: Gewürze wie Kurkuma oder Ingwer gelten als antientzündlich, so Sven Ostermeier. Wundermittel sind sie allerdings nicht.
Übrigens: Das trifft auch auf Nahrungsergänzungsmittel zu, die speziell auf Arthrose-Betroffene zugeschnitten sein sollen. „Präparate mit Kollagen, Hyaluron und Glucosaminen haben eine sehr dünne wissenschaftliche Grundlage bezüglich ihrer Wirkung. Ich würde das als Arzt nicht empfehlen“, sagt Hanno Steckel.
Unbedingt, sagen die Experten - allerdings unter einer Voraussetzung: Es sollten Sportarten sein, die die Gelenke nicht zu stark belasten. Von Volleyball, Joggen oder Tennis etwa rät Hanno Steckel ab. Bei diesen Sportarten sind stauchende Bewegungen und schnelle Richtungswechsel typisch, das tut den Gelenken nicht gut. „Joggen ist Gift für geschädigte Knie- und Hüftgelenke“, sagt der Orthopäde.
Schonender sind etwa Fahrradfahren, Schwimmen, Nordic Walking, Yoga oder Pilates. Gut ist, wenn Betroffene auch ihre Muskulatur stärken, also ihre Kraft trainieren. „Denn die Muskulatur umgibt das Gelenk und kann es somit stabil halten“, sagt Sven Ostermeier. „Je besser die Muskulatur trainiert ist, desto besser kann man so ein Gelenk bewegen.“ Und auch die Entzündung lässt sich durch eine starke Muskulatur verringern.
Falscher Ehrgeiz im Fitnessstudio kann allerdings Schaden anrichten. „Man muss aufgrund der Arthrose die Belastung auf das Gelenk herunterfahren. Das heißt: lieber weniger Gewicht und dafür mehr Wiederholungen machen“, rät Ostermeier.
Am besten fokussiert man sich nicht alleine auf die Kraft, sondern achtet auch darauf Ausdauer, Beweglichkeit und Koordination zu trainieren, rät Steckel. Letztere ist wichtig, um Stürzen - und damit weiteren Gelenkschäden - vorzubeugen. Trainieren lässt sie sich zum Beispiel mit Balanceübungen.
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