Auf der Fahrerparade warf Mick Schumacher noch mit breitem Grinsen und voller Vorfreude den fast 300 000 Zuschauern Kusshände zu. Die Premiere des 25 Jahre alten Rennfahrers bei den legendären 24 Stunden von Le Mans endete aber viel schneller als erwartet. „Wir sind nicht über die Sechs-Stunden-Marke hinausgekommen“, sagte der Sohn von Formel-1-Rekordweltmeister Michael Schumacher.
Der mittlerweile 55 Jahre alte Vater war 1991 bei seinem einzigen Auftritt bei einem der größte Klassiker des Motorsports Fünfter geworden. Sohn Mick kam nicht ins Ziel - unverschuldet. Um 16.00 Uhr hatte Frankreichs Fußball-Ikone Zinédine Zidane das Rennen freigegeben, im Wagen des Schumacher-Teams saß Nicolas Lapierre. Der Franzose hatte es in der Qualifikation auf Rang neun geschafft und übergab den Wagen im Rennen an Mick Schumacher.
33 Umläufe schaffte er, fuhr dabei die beste Rundenzeit der insgesamt sechs Alpine-Piloten bis zum Zeitpunkt des Ausfalls. In der Spitze erreichte Mick Schumacher 340,19 Kilometer pro Stunde.
Sein persönlicher Stint sei sehr positiv gewesen, betonte Mick Schumacher. „Ich bin sehr, sehr glücklich darüber.“ Intern dürfte seine Leistung auch mit Wohlwollen gesehen worden sein. Durch sein Engagement in der Langstrecken-Weltmeisterschaft hofft er, seine Chancen für eine Rückkehr in die Formel 1 zu erhöhen. Und mindestens ein Cockpit beim Formel-1-Team von Alpine wird im kommenden Jahr neu besetzt.
Bei einem Motordefekt sind aber auch die Fahrer hilflos, ob in der Formel 1 oder der Langstrecken-WM. Nachdem der erste Alpine A424 um 20.46 Uhr nicht mehr weiterfahren konnte, erwischte es den zweiten mit Lapierre am Steuer 50 Minuten später um 21.36 Uhr. „Herzzerreißend. Keine Worte“, schrieb das Team in den sozialen Netzwerken. „Der doppelte Ausfall ist grausam, auch wenn wir wussten, dass die Zuverlässigkeit ein Problem sein könnte“, sagte Teamchef Philippe Sinault.
Statt in der Nacht weitere Runden zu drehen und am Sonntag die einmalige Atmosphäre des Kultrennens zu genießen, ging es für Mick Schumacher noch vor Mittag in den Flieger. Trotz der Enttäuschung überwogen die positiven Dinge, wie der sehr gute Speed bis zum Ausfall, die eigene Leistung in dem anspruchsvollen Rennen und: „Ich denke, wir sind als Team zusammengewachsen.“
Den Sieg sicherte sich dann am Nachmittag wie im Vorjahr Ferrari, diesmal in der Besetzung Nicklas Nielsen aus Dänemark, Miguel Molina aus Spanien und Antonio Fuoco aus Italien. Die Vorjahressieger Alessandro Pier Guidi, James Calado and Antonio Giovinazzi kamen ebenfalls in einem Ferrari auf Rang drei. Zweiter wurden Jose Maria Lopez, Kamui Kobayashi und Nyck de Vries im Toyota.
Für den neuen Alpine war es erst der vierte Einsatz und das vierte Rennen in der World Endurance Championship gewesen, ebenso für Mick Schumacher. Und er zeigte dabei vor allem im internen Vergleich starke Leistungen.
„Ich möchte mich auch beim gesamten Alpine-Konzern und insbesondere bei der Renault-Gruppe dafür bedanken, dass sie mich hierher gebracht haben“, sagte er nach dem vorzeitigen Aus in Le Mans. „Das Alpine Endurance Team war in diesen ersten drei Rennen so gut zu mir und hat mich auf dieses eine große Rennen vorbereitet. Das weiß ich wirklich sehr zu schätzen.“
Bis zum nächsten WEC-Rennen bleibt nun erst mal ein wenig Zeit, am 14. Juli geht es mit den Sechs Stunden von São Paulo in Brasilien weiter. Bereits am kommenden Wochenende wird Mick Schumacher aber schon wieder in Diensten von Mercedes unterwegs sein. Beim Großen Preis von Spanien bei Barcelona nimmt er seine Rolle als Test- und Ersatzfahrer ein.
Den Job hat er seit seinem Aus als Stammfahrer in der Motorsport-Königsklasse. 2021 und 2022 war er für das amerikanische Haas-Team gefahren, zur Saison 2023 aber durch Landsmann Nico Hülkenberg ersetzt worden.
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