Überraschende Erholung inmitten von Krisen: Deutschlands Exporteure haben zum Start ins zweite Quartal überraschend zugelegt. Nach einem durchwachsenen Jahresauftakt wuchsen die Ausfuhren im April um 1,2 Prozent gegenüber März auf 130,4 Milliarden Euro, wie das Statistische Bundesamt am Montag auf Basis vorläufiger Daten mitteilte.
Zugleich sanken die Importe um 1,7 Prozent zum Vormonat auf 112 Milliarden Euro. Die Zuwächse bei den Ausfuhren kamen für Ökonomen unerwartet. Noch im März waren die Exporte kräftig geschrumpft. Experten zeigten sich angesichts der schwächelnden Weltwirtschaft dennoch verhalten.
Volker Treier, Außenwirtschaftschef beim Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), sprach von einem Hoffnungsschimmer. Das Plus der Exporte im April sei aber „noch lange keine Trendwende für die deutsche Außenwirtschaft“. „Der starke Verlust des Vormonats und die schon zuvor eher maue Entwicklung können nicht wettgemacht werden.“
Insgesamt gehe wenig Dynamik von der Weltkonjunktur aus: hohe Inflationsraten, das in vielen Märkten stark gestiegene Zinsniveau und eine gedämpfte Nachfrage belasten das Auslandsgeschäft. Die Exporterwartungen der Industrieunternehmen seien verhalten, so Treier. „Für einen exportgetriebenen wirtschaftlichen Aufschwung ist das weltwirtschaftliche Umfeld einfach zu trübe.“
„Unsere Exporte haben sich dank der verbesserten wirtschaftlichen Lage in China und den USA positiv entwickelt, doch sehen wir hier eher eine Seitwärtsbewegung“, meinte Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA). „Gestiegene Preise, als Folge der Inflationsbekämpfung, heben das Plus auf. Die Lage scheint also besser, als sie tatsächlich ist.“
Größter Abnehmer deutscher Exporte blieben im April die USA. Dorthin wurden Güter im Wert von 13,1 Milliarden Euro verkauft, ein Plus von 4,7 Prozent. Besonders starke Zuwächse gemessen am März gab es im Geschäft mit China (plus 10,1 Prozent auf 8,5 Mrd. Euro), während die Exporte nach Großbritannien um 5,2 Prozent schrumpften. Die Ausfuhren nach Russland sanken um 17,8 Prozent auf 0,7 Milliarden Euro.
Im Vergleich zum Vorjahresmonat April wuchsen die gesamten Exporte um 1,5 Prozent, während die Importe um 10,3 Prozent schrumpften. Im Gesamtjahr 2022 hatte der deutsche Außenhandel auch wegen teils deutlicher Preiserhöhungen ein Rekordergebnis erzielt. Diese trieben den Wert der Ausfuhren wie der Einfuhren nach oben.
Die deutsche Wirtschaft ist unter anderem wegen der Kaufzurückhaltung der Verbraucher inmitten der Inflation in die Rezession abgerutscht. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte sowohl im Schlussquartal 2022 als auch im ersten Quartal 2023 - Fachleute sprechen bei zwei Quartalsrückgängen in Folge von einer „technischen Rezession“.
Wichtige Industriebranchen bekommen den Gegenwind zu spüren. So hielt im Maschinenbau die Auftragsflaute im April an, wie der Branchenverband VDMA mitteilte. Er sprach von einem „schwachen Start ins Frühjahr“. In der Auto-Industrie hat sich die aktuelle Lage nach Einschätzung des Münchner Ifo-Instituts zwar verbessert. Doch die Branche blicke zunehmend pessimistisch auf die kommenden Monate. Die Chemie-Industrie leidet seit Monaten unter der schwachen Weltwirtschaft und hohen Energiepreisen, die die Firmen nur begrenzt weitergeben können.
Im Euroraum hat sich derweil die Konjunkturstimmung im Juni zum zweiten Mal in Folge verschlechtert, wie Institut Sentix am Montag in Frankfurt mitteilte. „Die Konjunktursorgen nehmen zu“, hieß es. Größtes Sorgenkind der Eurozone bleibe Deutschland.
Der Außenhandelsverband BGA sieht auch wegen der Zinserhöhungen der Zentralbanken getrübte Aussichten für die deutschen Exporteure. „Die Wirkungen der geldpolitischen Straffung dürften Wirtschaft und Verbraucher im Euro-Raum, aber auch bei einem unserer wichtigsten Außenhandelspartner, den USA, in den kommenden Monaten auf breiter Basis erreichen“, sagte Präsident Jandura. Das treffe die Konjunktur.
Die Bundesregierung müsse bei den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen im Juni darauf achten, dass „durch falschen Aktionismus“ nicht weitere hausgemachte Schwierigkeiten für Einfuhren aus China entstünden, so Jandura. Zudem müssten bei europäischen Regelungsvorhaben die Interessen der Wirtschaft berücksichtigt werden. „Immer weitere Bürokratiehürden“ wie das geplante EU-Lieferkettengesetz schwächten den Standort Europa.
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