Die Europäische Zentralbank (EZB) ist ihrem Ziel stabiler Preise näher gekommen und hat die Leitzinsen seit Juni deutlich gesenkt. Die jüngsten Daten zeigen zwar, wie hartnäckig die Inflation ist. Dennoch rechnen Volkswirte damit, dass die Notenbank bei ihrer Sitzung an diesem Donnerstag eine weitere Zinssenkung beschließen wird - es wäre die vierte 2024.
Im Juni leitete die EZB die Zinswende ein: Nach knapp neun Monaten auf Rekordhoch senkte sie angesichts einer abflauenden Inflation den richtungsweisenden Einlagenzins, den Banken für geparkte Gelder erhalten, um 0,25 Prozentpunkte auf 3,75 Prozent. Dieser Zins ist für Sparer relevant, denn Banken orientieren sich daran - und geben sinkende Einlagenzinsen in Form niedrigerer Tages- und Festgeldzinsen an Kunden weiter.
Der Zins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Geld bei der EZB besorgen können („Hauptrefinanzierungssatz“), sank ebenfalls. Nach zwei weiteren Zinssenkungen im September und Oktober beträgt der Einlagenzins mittlerweile 3,25 Prozent und der Hauptrefinanzierungssatz 3,4 Prozent.
Ihr Hauptziel sind stabile Preise und somit eine stabile Währung im Euroraum. Das sieht die EZB erreicht, wenn die Inflation mittelfristig bei 2,0 Prozent liegt - weit genug weg von der Nullmarke. Dauerhaft niedrige Preise gelten als Risiko für die Konjunktur: Unternehmen und Verbraucher könnten Investitionen aufschieben in der Erwartung, dass es bald noch billiger wird. Doch auch wenn Preise zu stark steigen, ist das Gift für die Wirtschaft: Dann verlieren Verbraucherinnen und Verbraucher Kaufkraft.
Angesichts einer Inflationsrate im Euroraum, die bis auf 1,7 Prozent im September sank, gab es schon warnende Stimmen, die EZB könne ihr Inflationsziel unterschreiten. Zugleich nahmen Sorgen um die schwächelnde Konjunktur im Währungsraum zu.
Kredite werden erschwinglicher, das heißt: Firmen können leichter investieren und Privatleute bekommen Geld von der Bank günstiger. Für eine Baufinanzierung mit zehnjähriger Laufzeit beispielsweise waren der FMH-Finanzberatung zufolge zuletzt 3,19 Prozent pro Jahr fällig (Stand 9.12.2024), ein Jahr zuvor lagen die Bauzinsen noch fast bei vier Prozent.
Umgekehrt müssen sich Sparer auf fallende Zinsen bei ihrer Bank und geringere Renditen etwa bei Lebensversicherungen einstellen. Mit durchschnittlich 1,62 Prozent haben die Zinsen bundesweit verfügbarer Tagesgeldangebote dem Vergleichsportal Verivox zufolge den tiefsten Stand seit mehr als einem Jahr erreicht (Stichtag: 6.12.). Bei einem Viertel der etwa 800 analysierten Banken und Sparkassen gibt es demnach für Tagesgeld 0,25 Prozent oder weniger.
Auch beim Festgeld habe sich der Abwärtstrend fortgesetzt. Bundesweit verfügbare Angebote mit zwei Jahren Laufzeit bringen aktuell im Schnitt 2,34 Prozent. Niedriger standen die Festgeldzinsen zuletzt im Februar 2023. Verivox hat Konditionen für eine Anlagesumme von 10.000 Euro ausgewertet.
Sowohl in Deutschland als auch im Euroraum insgesamt hat die Teuerungsrate wieder zugelegt. Im November lag die Inflationsrate im Euroraum vorläufigen Zahlen zufolge bei 2,3 Prozent. Ohne die schwankungsanfälligen Preise für Energie und Nahrungsmittel waren es 2,7 Prozent. Diese Kerninflation stellt den Inflationstrend nach Ansicht vieler Ökonomen besser dar als die Gesamtrate.
Der russische Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 ließ die Energiepreise rasant steigen, auch Lebensmittel wurden deutlich teurer. Die Folge: Die Inflation schnellte nach oben, im Euroraum bis auf mehr als zehn Prozent. Im Juli 2022 reagierte die EZB und beendete ihre jahrelange Politik der Null- und Negativzinsen, um die Teuerungswelle zu brechen. Zehnmal in Folge erhöhte die Notenbank die Zinsen, ehe sie eine Pause einlegte.
Höhere Zinsen sorgen dafür, dass Kredite mehr kosten, was die Nachfrage bremsen und hohen Inflationsraten entgegenwirken kann. Den Zins, zu dem sich Banken frisches Geld bei der EZB besorgen können, erhöhte die Notenbank mit 4,5 Prozent zwischenzeitlich auf den höchsten Stand seit August 2001. Der Einlagenzins erreichte mit 4,0 Prozent das höchste Niveau seit Bestehen der Währungsunion 1999.
Volkswirte sind in Sorge, dass der designierte US-Präsident Donald Trump Handelskonflikte mit der Europäischen Union und China heraufbeschwören wird. Trump hat hohe Zölle auf Importe aus Europa und China angekündigt und zuletzt schon Mexiko und Kanada ins Visier genommen.
Die Wirtschaftsprognosen mancher Ökonomen für 2025 für Deutschland und andere europäische Länder fallen daher pessimistischer aus. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer warnt: „Eine Zollspirale wäre ein Risiko für die gesamte Weltkonjunktur.“
Bundesbank-Präsident Joachim Nagel äußerte sich ebenfalls besorgt: Sollte Trump seine Zollpläne wahr machen, könnte das Deutschland ein Prozent der Wirtschaftsleistung kosten. Auch könnten Strafzölle die Teuerung anheizen. Nagel warnt: „Mit Zollerhöhungen machen wir Konsum teurer und fachen die Inflation an.“
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