Bei der medizinischen Betreuung von Long Covid-Patienten sind nach Einschätzung von Fachleuten mehr und besser abgestimmte Versorgungskapazitäten notwendig. An den rund 90 Spezialambulanzen bundesweit müssten Erkrankte zwischen sechs und neun Monate auf einen Termin warten.
Sinnvoll seien regionale Netzwerke zwischen spezialisierten Ambulanzen und niedergelassenen Ärzten, sagte die Ärztin Claudia Ellert von der Betroffeneninitiative Long Covid Deutschland auf dem ersten Kongress des Ärzte- und Ärztinnenverbandes Long Covid in Jena.
Auf dem Kongress in Jena hatten am Freitag und Samstag mehr als 2000 Teilnehmende bisherige Erkenntnisse zu Diagnostik und Therapie von Long Covid ausgetauscht. Sie verfolgten 30 Vorträge von Experten aus Deutschland, Großbritannien, Südafrika, den USA und Brasilien.
Mit den teilweise extremen Spätfolgen einer Corona-Infektion kämpfen in Deutschland nach Kongressangaben rund drei Millionen Menschen, dies sind etwa 10 Prozent der seit Pandemiebeginn Infizierten. Sie leiden teils monatelang unter Symptomen wie chronischer Erschöpfung (Fatigue), Atemwegsproblemen oder kognitiven Einschränkungen.
Allerdings seien nicht alle Betroffenen gleich ein Fall für diese Ambulanzen, sagte Ellert. Hier sei die Beurteilung der Hausärzte wichtig. „Wir brauchen ein interdisziplinäres Versorgungsnetz mit dem Hausarzt als Lotse“, ergänzte Andreas Stallmach, Leiter der Post-Covid-Ambulanz am Jenaer Universitätsklinikum.
Die Vizepräsidentin der Bundesärztekammer, Ellen Lundershausen, plädierte für ein Stufenprogramm. Zugleich verwies sie auf die Überlastung vieler Hausärzte, denen nicht genug Zeit für die Betroffenen bleibe. „Die sind am Limit.“
Oftmals seien Long Covid-Erkrankte so schwer beeinträchtigt, dass sie sich weder auf den Weg zu den verschiedenen Fachärzten noch zu den teils weit entfernten Spezialambulanzen machen könnten, sagte Stallmach. Das Universitätsklinikum Jena will deshalb ein wohnortnahes Versorgungskonzept entwickeln. Kern ist eine mobile Ambulanz, die Diagnostik und Betreuung vor Ort mit Videosprechstunden kombiniert. „Mit dem Bus kommen wir zum Patienten“, sagte Stallmach.
Für eine entsprechende Studie, die auf drei Jahre angelegt ist und knapp 700 Patienten einschließen soll, habe der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) von Krankenkassen, Ärzten und Kliniken dafür 5,8 Millionen Euro bewilligt. Der GBA ist das Gremium, das entscheidet, für welche medizinischen Leistungen die gesetzliche Krankenversicherung die Kosten übernimmt.
Verbesserungen für Long Covid-Patienten soll nach Angaben von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auch die von ihm geplante Krankenhausreform bringen. Durch die Reform solle etwa der Aufbau von Spezialambulanzen gefördert werden, sagte der zum Kongressauftakt am Freitag per Video zugeschaltete Lauterbach.
Als Long Covid definieren die deutschen Patientenleitlinien Beschwerden, die länger als vier Wochen nach der Corona-Infektion bestehen, als Unterform Post Covid dauern sie länger als zwölf Wochen an.
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