In der Debatte um die Lockerung der EU-Vorschriften für gentechnisch veränderte Pflanzen konnte sich die Bundesregierung bisher nicht auf eine gemeinsame Position einigen. Das von den Grünen geführte Bundesumweltministerium äußerte sich skeptisch, dagegen signalisierte das von der FDP geführte Bundesforschungsministerium grundsätzliche Unterstützung. In Bayern stoßen die Pläne auf große Vorbehalte.
„Das Bestreben der EU-Kommission, die Risikoprüfung für Pflanzen, die mit neuen genomischen Techniken hergestellt sind, abzuschwächen, geht in die falsche Richtung“, sagte ein Sprecher des Bundesumweltministeriums auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Das Thema steht auf Wunsch Österreichs beim Treffen der EU-Umweltminister an diesem Donnerstag in Brüssel auf der Agenda.
Österreichs Klimaschutzministerin Leonore Gewessler sagte laut Mitteilung: „Gerade bei Produkten, die vielfältige Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben können, muss eine ausreichende und ausgewogene wissenschaftliche Basis die Grundlage einer Neuregelung sein.“ Sie forderte fundierte Kriterien für eine Risikoabschätzung der entsprechenden Produkte der neuen Gentechnik.
Das Bundesumweltministerium betonte, der aktuelle breite Diskussionsprozess zum Thema sei begrüßenswert. Wichtig sei, dass das Vorsorgeprinzip gewahrt, die Wahlfreiheit von den Landwirtinnen und Landwirten bis zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern gewährleistet und die Koexistenz verschiedener Anbausysteme gesichert werde.
Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) äußerte sich skeptisch: „Ich stehe den neuen Plänen der EU zurückhaltend gegenüber, die gezielte Eingriffe mit einer sogenannten Genschere vorsehen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur in München. Für die Medizin seien die neuen Möglichkeiten der genomischen Techniken sehr hilfreich, um Krankheiten zu heilen. „Ich gehe aber davon aus, dass die Menschen entsprechend veränderte Lebensmittel nicht auf dem Teller haben wollen.“ Zunächst müsse aber der konkrete Vorschlag der EU-Kommission abgewartet werden.
Daas Forschungsministerium verwies auf eine Aussage von Hauschefin Bettina Stark-Watzinger (FDP) aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: „Die Regeln sind veraltet und hemmen die Erforschung und Anwendung neuer Technologien. Daher freue ich mich sehr, dass die EU-Kommission diesen Weg geht und wir in Deutschland in die Diskussion einsteigen können. Das Gentechnikrecht muss innovationsfreundlicher und wissenschaftsbasiert werden und bezogen auf Geneditierung auch risikoangepasst.“
Der BUND-Naturschutz stützte die Haltung des Umweltministeriums: „Vorsorgeprinzip, Transparenz und Wahlfreiheit müssen gesichert bleiben. Auch der BUND fordert, dass Verbraucherinnen und Verbraucher, Landwirtschaft und Lebensmittelbranche weiterhin die Wahl haben“, sagte die beim BUND für Gentechnik zuständige Daniela Wannemacher. Gentechnisch veränderte Organismen müsst auch in Zukunft gekennzeichnet werden, zurückverfolgt werden können sowie ordentlich zugelassen und auf Risiken überprüft werden.
Derzeit wird in der EU-Kommission an der Überarbeitung der EU-Gentechnikregeln und ihren Folgen gearbeitet. Im April 2021 hatte die Kommission mitgeteilt, dass das Gentechnikrecht überarbeitet werden solle. Die EU-Kommission will voraussichtlich im Juni einen konkreten Vorschlag für einen Gesetzestext veröffentlichen. Im Anschluss müssten sich EU-Staaten und Europaparlament noch über das Vorhaben einig werden.
Am Ende dieses Prozesses könnte sich entscheiden, inwieweit Gentechnik in der Landwirtschaft eingesetzt werden kann - und damit würde auch beeinflusst werden, inwiefern gentechnisch veränderte Lebensmittel bei den Verbrauchern auf dem Teller landen.
Die neuen Möglichkeiten der Gentechnik erlaubten „vielfältigste und wirklich tiefgreifende Veränderungen im Genom“, hieß es weiter aus dem Umweltministerium. „Deren mögliche Auswirkungen sind im Vergleich zu den sich bietenden Möglichkeiten wenig erforscht. Gerade wichtige Biodiversitätsfragen wie beispielsweise nach dem Risiko der Auskreuzung in eventuell vom Klimawandel gestresste Ökosysteme sind heute noch unbeantwortet und erfordern weitere Forschung.“
Weiter hieß es: Das EU-Recht biete eine gute Grundlage, um die Risiken systematisch zu analysieren, die Nachverfolgbarkeit von gentechnisch veränderten Organismen in der Natur sowie die Wahlfreiheit für Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch der Lebensmittelwirtschaft, Landwirtinnen und Landwirte zu gewährleisten.
„Dabei darf es keine Abstriche geben. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Pflanzen, die auf den Markt kommen, auch sicher für Mensch und Natur sind.“ Das Bundesumweltministerium setze sich daher für ein Zulassungsverfahren ein, das am Vorsorgeprinzip festhalte. „Deutschland und Europa brauchen eine Landwirtschaft, die mit der Natur und nicht gegen sie arbeitet.“
Befürworter gelockerter Vorschriften für den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen betonen, dass die neuen gentechnisch veränderten Pflanzen eine Lösung für die Herausforderungen auf die Landwirtschaft infolge des Klimawandels seien.
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