Felix Magath hat Uwe Seeler über Jahrzehnte erlebt: Erst als Vorbild, dann als Spieler der erfolgreichen Nachfolgegeneration beim Hamburger SV, später sogar als HSV-Trainer unter dem HSV-Präsidenten Seeler.
Im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur erzählt der 68 Jahre alte Meistertrainer des FC Bayern München und des VfL Wolfsburg über das verstorbene Fußball-Idol.
Warum war Uwe Seeler so beliebt?
Magath: Heutzutage sagt man: Er war authentisch. Das trifft es am allerbesten. Er ist noch in einer Zeit aufgewachsen, in der es nichts gab. Deshalb hat er Fußball aus Leidenschaft, aus Spaß, aus reinem Siegeswillen gespielt. Und nicht, um irgendetwas zu erreichen oder um damit reich zu werden. Schauen Sie: Er war ja nur etwa 1,70 Meter groß, aber er hatte ein Wahnsinns-Kopfballspiel, diese Wucht. Das hat er sich alles selbst erarbeitet. Der wollte unbedingt das Tor machen, der hat sich nie geschont. Immer voller Einsatz. Meine ersten Fußballschuhe früher in Aschaffenburg waren auch von „Uns Uwe“.
Drückt diese Popularität von Uwe Seeler und die große Anteilnahme an seinem Tod auch die Sehnsucht vieler Menschen nach dem Fußball von früher aus? Als das Spiel noch vermeintlich ehrlicher, nahbarer und weniger geldgetrieben war?
Magath: Genau das ist mein Eindruck. Er hat den Fußball gelebt, er hat den HSV gelebt: Das ist das, was die Menschen in meinen Augen so an ihm mochten. Eine Karriere, wie Uwe Seeler sie gemacht hat, ist ja heute nicht mehr vorstellbar.
Sie sind vier Jahre nach dem Karriereende von Uwe Seeler zum HSV gewechselt. Und trotz all seiner Popularität war Ihre Generation deutlich erfolgreicher als seine. Mit Ihnen gewann der HSV zweimal einen Europapokal und dreimal die deutsche Meisterschaft. War Seeler trotzdem für Horst Hrubesch, Sie und Co. ein langer Schatten? Eine Ikone, die immer über Ihnen schwebte?
Magath: Er war eine Ikone. Aber keine, dir über irgendjemandem schwebte. Das ist ja auch so außergewöhnlich: In meiner Zeit als HSV-Spieler wohnte Uwe Seeler neben dem Trainingsgelände. Er war präsent, er schaute immer mal wieder beim Training zu, er hatte immer ein Wort für uns, kurz: Er war nahbar. Es zog ihn auch nach seiner Karriere nie ins Rampenlicht, sondern immer an die Basis zurück: an den Fußballplatz.
Trotzdem gehören Sie zu den wenigen Menschen, die auch mal schlechte Erfahrungen mit ihm machten: Der HSV-Trainer Magath wurde 1997 von dem HSV-Präsidenten Seeler entlassen.
Magath: Das stimmt. Aber das ist ja nicht mal die halbe Geschichte. Natürlich war es für mich eine ganz bittere Erfahrung, den HSV so verlassen zu müssen. Aber Uwe Seeler hat mich 1995 auch zum Cheftrainer gemacht und mir damit den Eintritt in die Bundesliga ermöglicht. Im Profifußball ist es so: Es ist schwerer, in den Profifußball zu kommen, als dort zu bleiben. Für mich und meine Karriere war dieser Schritt also viel entscheidender. Insofern bin ich ihm auch sehr dankbar, was meine Trainerkarriere angeht. Zumal er als Präsident genauso war, wie vorher auch: Immer nahbar.
Felix Magath (68) absolvierte als Spieler zwischen 1976 und 1986 354 Pflichtspiele für den Hamburger SV, mit dem er 1983 den Europapokal der Landesmeister gewann. Der damalige HSV-Präsident Uwe Seeler machte Magath 1995 zum Cheftrainer, ehe er ihn 1997 entließ. Für Magath folgten zahlreiche Trainerstationen in der Bundesliga.
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