Mit Mitte 40, frisch geschieden, wird manchen Frauen klar: Sie haben bislang ihre Altersvorsorge vernachlässigt. Und nun ist mit dem Mann auch die finanzielle Sicherheit weg. „Oft sind solche Wendepunkte im Leben der Auslöser bei Frauen, sich mit der Altersvorsorge zu beschäftigen“, sagt Rica Klitzke, Mitgründerin der Frauen-Finanzberatung Finmarie.
Viele Frauen fangen ihrer Erfahrung nach erst sehr spät an, sich um ihre Finanzen zu kümmern. Das kann für das Einkommen im Ruhestand fatal sein. Denn Statistiken zeigen, dass Altersarmut weiblich ist.
Das Statistische Bundesamt zum Beispiel hat ermittelt, dass derzeit etwa jede fünfte Frau ab 65 Jahren als armutsgefährdet gilt. Frauen haben im Alter durchschnittlich fast 30 Prozent weniger Einkommen als Männer. Der sogenannte Gender Pension Gap rechnet neben der gesetzlichen Rente auch betriebliche Altersvorsorge, Hinterbliebenenrenten und private Vorsorge mit ein. Ohne Bezüge, die vom Ehepartner abhängen, wird die Lücke sogar noch größer.
Und obwohl Frauen heute häufiger arbeiten als früher, gehen Statistiker davon aus, dass sie auch in Zukunft durch Teilzeitarbeit und niedrigere Löhne ein geringeres Alterseinkommen haben werden als Männer.
Altersvorsorge ist also ein dringliches finanzielles Problem von Frauen, mahnt auch Anne Connelly, Gründerin des Frauen-Finanzportals Hermoney. Denn die Regelungen zur Witwenrente und das Scheidungsrecht wurden so verändert, dass Frauen sich finanziell nicht mehr auf eine Versorgung durch ihren Partner verlassen können. „Es ist heute nicht mehr zeitgemäß, die Verantwortung abzugeben. Viele wissen das, doch sie verdrängen es“, sagt Connelly. „Ins Machen zu kommen, daran hapert es oft.“ Was nicht daran liege, dass Frauen Geldanlage nicht können. Vielmehr belegen Studien, dass Anlegerinnen oftmals eine leicht bessere Rendite einfahren als Männer. Doch den ersten Schritt zu machen, das fällt vielen schwer.
„Bei Frauen beobachte ich oft, dass sie erstmal Orientierung im Finanzdschungel brauchen. Was ist eine Rentenversicherung, wie komme ich mit dieser Herausforderung Altersvorsorge zurecht? Erst wenn sie das verstanden haben, legen sie los“, berichtet Connelly. Das Problem: In der oft männlich geprägten Finanzindustrie machen viele Sparerinnen negative Erfahrungen, die sie abschrecken.
Wie gelingt also der erste Schritt, mit dem Sparen für die Rente zu starten und finanziell unabhängig zu werden?
Wer sich nicht gleich an die Altersvorsorge herantraut, dem empfiehlt Klitzke einen Schritt zurück zu gehen und erstmal ein paar Monate lang die Ausgaben zu erfassen. Wo fließt das Geld hin, wie viel bleibt übrig, was sind vielleicht unnötige Ausgaben? „Das gibt ein Gefühl von Kontrolle und verursacht bei vielen Frauen Lust, sich intensiver mit den Finanzen zu beschäftigen und dann auch zu investieren“, so Klitzke. Ein Kassensturz sorgt außerdem für Klarheit, was schon an Vorsorge da ist und wie viel Geld zurückgelegt werden kann.
Als nächstes geht es darum, ein Ziel festzulegen. Bei der Altersvorsorge gilt es deshalb, die Rentenlücke zu berechnen. Also den Unterschied zwischen dem Einkommen aus Renten und Ersparnissen und dem späteren Bedarf. Das ist nicht ganz einfach, gerade wenn der Rentenbeginn noch fern ist. Hier müssen Sparerinnen mit Annahmen und Schätzungen arbeiten. Etwa, wie sich ihre Rentenansprüche entwickeln oder wie hoch die Inflation sein wird. Verschiedene Rechner im Internet helfen dabei, ein Gefühl für die Rentenlücke zu entwickeln.
„Auch über andere mögliche Ziele sollte man nachdenken. Etwa eine Immobilie, eine mögliche berufliche Auszeit oder vielleicht der Wunsch, früher in den Ruhestand zu gehen“, rät Klitzke. Diese Ziele sollten Frauen anschließend priorisieren und möglichst genau beziffern. „So hat man konkrete Ziele vor Augen, auf die man hinarbeiten kann.“
Nun brauchen Sparerinnen noch eine Strategie, wie genau sie für das Alter vorsorgen wollen. Dafür müssen sie sich Wissen aneignen - auch das ist kein Hexenwerk. Finanzratgeber helfen weiter, auch Finanzcoachings gibt es, viele davon speziell für Frauen. Wie die Strategie letztendlich aussieht, hängt von den individuellen Lebensumständen ab. Wie viel Zeit bleibt noch bis zur Rente? Wie viel ist schon da? Wie risikofreudig sind die Sparerinnen? Mit diesen Fragen gilt es sich auseinanderzusetzen, um dann die passenden Produkte zu wählen.
Ob eine betriebliche Altersvorsorge, ETFs oder die Fortführung eines Riester-Vertrags - „die geeigneten Produkte sind für Frauen letztendlich dieselben wie für Männer“, sagt Connelly. Mit ETFs können Sparerinnen ihr Geld kostengünstig und unkompliziert in breit gestreute Aktien-Fonds anlegen, das empfehlen beide Expertinnen für den Einstieg. Auch das sogenannte Langlebigkeitsrisiko sollte abgesichert werden. Frauen sollten also sichergehen, dass sie eine Rente haben, die lebenslang ausgezahlt wird.
In einem Punkt unterscheidet sich die Altersvorsorge bei Frauen und Männern aber vielleicht doch: „Frauen sollten sich unbedingt mit ihrem Partner abstimmen - und zwar vor der Heirat und den Kindern“, rät Connelly. „Sie sollten zum Beispiel eine Kompensation aushandeln, wenn sie für die Familie im Job zurückstecken.“ Denkbar wäre, dass der Mann von seinem Einkommen einen Sparplan finanziert, der auf den Namen der Frau läuft. So kann die Rentenlücke, die durch Teilzeit entsteht, gestopft werden.
© dpa-infocom, dpa:230825-99-958604/2