Hagen/Köln (dpa/tmn) - Wenn der Körper schon am Morgen schwer ist und die Konzentration einfach nicht in Schwung kommen will, ist es so weit: Man ist urlaubsreif. Dann wird der Arbeitsalltag oft zur Last und man sehnt sich nach Erholung und neuen Eindrücken. Also Urlaub! Aber wie gestaltet man den möglichst erholsam?
Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schlafprobleme, Rückenschmerzen, Magenbeschwerden oder Herz-Kreislauf-Probleme – die Symptome einer Erschöpfung sind vielfältig. Wer sie ignoriert, riskiert ernsthafte Folgekrankheiten wie Diabetes oder kardiovaskuläre Erkrankungen, sagt Ivon Ames, die als Arbeitspsychologin an der Fern-Universität in Hagen forscht. Und: „Arbeit sollte grundsätzlich so gestaltet sein, dass man nicht das Gefühl hat, urlaubsreif zu werden.“
Es mag absurd erscheinen, doch wer sich vom Arbeitsalltag erschlagen fühlt, dem hilft nicht unbedingt Urlaub. Zumindest nicht langfristig, sagt Ivon Ames. „Diese Warnsignale des Körpers deuten darauf hin, dass mit meinem Arbeitsalltag etwas nicht stimmt. Es ist ziemlich sicher davon auszugehen, dass es nach dem Urlaub nur eine begrenzte Zeit dauert, bis man sich wieder erschöpft fühlt.“
Den Grund für ein Erschöpfungsempfinden sieht die Expertin vor allem in schlechten Arbeitsbedingungen: hohe Arbeitsdichte, viele Überstunden, verschwimmende Zuständigkeitsgrenzen uns ständige Erreichbarkeit etwa. „Menschen, die sich urlaubsreif fühlen, sollten sich grundsätzlich fragen, wieso das so ist“, sagt Ames.
Dafür empfiehlt die Arbeitspsychologin zunächst den eigenen Arbeitsalltag zu beobachten und zu analysieren, was daran erschöpfend wirkt. Danach sollten mögliche Missstände klar kommuniziert und behoben werden. „Wir erleben es häufig, dass die Mitarbeitenden das Problem bei sich selbst suchen“, sagt sie.
Meist liege es aber nicht an den einzelnen Personen, sondern daran, dass viele Unternehmen den aktuellen Anforderungen, wie etwa der täglichen Informationsflut, nicht hinterhergekommen seien. Dabei sind Arbeitgeber sogar gesetzlich dazu verpflichtet, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass sich Arbeitnehmer nicht erschöpft fühlen. „Mitarbeiter haben ein Anrecht darauf, dass sie nicht ständig Überstunden machen müssen und stets erreichbar sind“, sagt Ames.
Wer sich ausgebrannt und erschöpft fühlt, sollte also seine Arbeitsbedingungen kritisch hinterfragen. Doch auch dafür braucht es Kraft und Energie. Und die sammelt man am besten in einer Auszeit. Wie lang der Urlaub ist, spiele für die Erholung aber keine wesentliche Rolle. „Ein langer Urlaub, in dem man ständig erreichbar ist, ist deutlich weniger erholsam als ein kurzer Urlaub, in dem man sich komplett aus dem Geschehen rausnimmt. Es kommt eher auf die Qualität des Urlaubs an“, so die Arbeitspsychologin.
Um die Qualität des Urlaubs zu sichern, lohnt es sich, die Auszeit frühzeitig zu planen. Dazu gehört etwa eine klare Vertretungsregel. Außerdem sollte deutlich kommuniziert werden, dass man im Urlaub wirklich nicht erreichbar ist. „Ich muss wissen, dass der Laden läuft, auch wenn ich selbst nicht da bin. Sonst wird das Abschalten schwierig“, sagt Ames.
Abzuschalten wird besonders dann zur Herausforderung, wenn viele Bedürfnisse vereint werden wollen – etwa in Familien. Christina Borchert ist Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Familienerholung (BAG FE). Sie hat es sich mit ihrem Team zur Aufgabe gemacht, Familien eine erholsame Auszeit zu verschaffen. Wie das gelingen kann, ist durchaus unterschiedlich.
Einige Eltern nutzen die Zeit, um ihre Beziehung zueinander zu stärken, während andere die Gelegenheit wahrnehmen, intensiv Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Deshalb empfiehlt Borchert, schon vor dem Urlaub ins Gespräch zu kommen und individuelle Wünsche und Bedürfnisse abzustimmen: „Man sollte darauf achten, dass jedes Familienmitglied auf seine Kosten kommt.“
Sie empfiehlt Familien, den Urlaub gut vorzubereiten und vorab zu schauen, welche Angebote es vor Ort gibt, welche logistischen Vorbereitungen es zu treffen gilt und sich genug Zeit zu nehmen, eine Urlaubsbleibe zu suchen, die der ganzen Familie gerecht wird.
Für eine möglichst gute Erholung rät Borchert einen Urlaubsort auszuwählen, bei dem eine Verpflegung angeboten wird und kein weiterer Konsumdruck entsteht. Angebote, bei denen Kinder mit anderen Kindern in Kontakt kommen, führten oft zu einer guten Atmosphäre und der Verzicht auf W-LAN oder Fernseher könne dabei helfen, sehr schnell Erholungsmomente zu schaffen.
„Wir merken bei Familien, die viel arbeiten, dass es durchaus eine Zeit braucht, bis die Erholung eintritt“, sagt Borchert. Für einen vertiefenden Erholungseffekt empfiehlt sie eine Auszeit von mindestens einer Woche, besser zwei.
Ob kurz oder lang, ob mit oder ohne Familie – die schönsten Urlaube sind die, die lange nachwirken. Um ein bisschen Urlaubsfeeling mit in den Alltag zu nehmen, rät Ivon Ames, kleine Urlaubsrituale zu erhalten. Ob das Spaghetti-Carbonara-Gericht aus dem Italien-Urlaub, die Muscheln vom dänischen Strand oder die Seife aus der Türkei – kleine Erinnerungen können dabei helfen, dass das Urlaubsgefühl möglichst lange bleibt.
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