Astronaut Alexander Gerst hofft darauf, dass Missionen zum Mond mehr Aufschluss über die Entwicklung des Lebens auf der Erde geben könnten.
„Vielleicht finden wir auf dem Mond Meteoriten, die von der Erde kamen, also Gesteinssplitter, die irgendwann einmal in der Vergangenheit durch einen großen Einschlag aus der Erde herauskatapultiert wurden und dann auf dem Mond gelandet sind“, sagte Gerst der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Der 47-Jährige ist ein möglicher Kandidat für die in einigen Jahren geplanten US-Missionen „Artemis 4“ und „Artemis 5“ zum Mond.
In Erdgestein auf dem Mond könnten möglicherweise Spuren frühen irdischen Lebens wie etwa Mikroben eingeschlossen sein, erklärte Gerst. „Das wäre extrem spannend.“ Auf der Erde ließen sich solche Spuren wegen der Plattentektonik kaum mehr finden. Der Mond hingegen sei seit Milliarden Jahren geologisch ruhig.
Über tektonische Bewegungen wird Gestein auf der Erde samt aller enthaltenen Spuren in einem fortlaufenden Prozess aufgeworfen, umgewälzt, eingeschmolzen. „Aus der frühen Zeit der Erde haben wir fast nichts, und das wenige, das wir haben, ist geologisch stark überprägt“, sagte Matthias Nieuwenhuis vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen. „Auf dem Mond hingegen passiert nichts.“
Die ältesten Nachweise von Leben auf der Erde sind nach heutigem Kenntnisstand etwa 3,5 Milliarden Jahre alt. Der Mond entstand nach aktueller Annahme vor mindestens 4,46 Milliarden Jahren aus Trümmern des Zusammenpralls der Ur-Erde mit dem marsgroßen Himmelskörper Theia. Damit könnte er ein kostbares Archiv für das frühe Leben auf unserem Planeten sein.
Analysen hatten gezeigt, dass ein von Astronauten im Zuge der „Apollo“-Missionen 1971 zur Erde gebrachter Mondstein Material von der Erde enthalten könnte. Die Zusammensetzung des kleinen Fragments sei typisch für die Erde, aber ungewöhnlich für den Mond, erklärte Nieuwenhuis. Schätzungen zufolge könnten allein in den letzten 3,9 Milliarden Jahren etwa 36 bis 61 Kilogramm Erdgestein pro Quadratkilometer den Mond erreicht haben, an bestimmten Stellen sogar eine halbe Tonne pro Quadratkilometer.
Mit etwa drei Kilometern pro Sekunde sei die Geschwindigkeit beim Einschlag solchen Materials eher gering, erklärte der Planetenforscher. „Darum könnten dort tatsächlich noch Fossilien aus der frühen Erdgeschichte zu finden sein.“ Spuren früher Erdmikroben seien womöglich bis heute in Form biologischer und chemischer Marker auf dem Mond erhalten geblieben.
Dass irgendwann ein Astronaut oder eine Astronautin und nicht etwa ein Roboter entsprechendes Gestein findet, hält Nieuwenhuis für realistisch. „Ein entsprechend ausgebildeter Astronaut hat einen besonderen Blick für seine Umgebung: Was passt hier nicht, was ist ungewöhnlich?“ Er könne direkt auf ungewöhnliches Gestein zusteuern, was die Chance für einen spektakulären Fund vergrößere.
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