Deutschlands Landwirte bauen immer weniger Hafer an - und zugleich steigt der Bedarf bei den heimischen Mühlen. Es sei in Deutschland nicht annähernd die Menge an für die Lebensmittelherstellung geeignetem Hafer geerntet worden, die die Mühlen benötigten, „um die stark gestiegene Nachfrage zu bedienen“, sagte eine Sprecherin des Verbandes der Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft (VGMS).
Die deutschen Hafermühlen haben im Jahr 2023 nach Verbandsangaben etwa 675.000 Tonnen Hafer verarbeitet. 2008 waren es noch 290.000 Tonnen gewesen. Denn: Hafer ist gefragt bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern - als Zutat fürs Müsli etwa, als Brei (Porridge), als Haferdrink, einer veganen Alternative zur Kuhmilch. Der hierzulande verarbeitete Hafer kommt zu einem guten Teil aus dem europäischen Ausland, vor allem aus Polen, Tschechien und Skandinavien.
Denn in Deutschland ist die Anbaufläche in den vergangenen Jahren stetig zurückgegangen, zumal Hafer sowieso schon ein Nischenprodukt im Ackerbau ist: 2021 wurden laut Bundesamt für Statistik auf 177.300 Hektar Hafer ausgesät, ein Jahr darauf waren es 160.100 und im Vorjahr nur noch 139.500. Zum Vergleich: Weizen wuchs auf knapp drei Millionen Hektar.
Die Hafermühlen bekunden laut Verband großes Interesse an Hafer aus Deutschland. Die Vermarktungsmöglichkeiten seien besser denn je. „Es finden regelmäßig Gespräche zwischen Züchtung, Hafermüllerei und Landwirtschaft statt“, sagte die Sprecherin. Die Schälmühlen werben auch mit ackerbaulichen Argumenten um die Gunst der Landwirtinnen und Landwirte: Gerade in der Fruchtfolge sei Hafer sinnvoll einsetzbar. Er trage zu Schonung und Regeneration des Bodens bei, wirke Unkrautbildung und Pflanzenkrankheiten entgegen und brauche nur wenig Dünge- und Pflanzenschutzmittel.
Der Deutsche Bauernverband (DBV) verwies auf die vergleichsweise niedrigen Preise, die für Hafer an die Landwirte gezahlt werden. „Der Preis für Hafer in Deutschland ist meist deutlich geringer als für andere Getreidearten, daher werden diese dann gegenüber dem Hafer im Anbau bevorzugt“, sagte Katharina Geiger, Fachreferentin Ackerbau.
Natürlich reize die Landwirte die gute Nachfrage nach Hafer für die Verarbeitung, „allerdings muss eben auch der Preis stimmen“. Leider steige der Preis nicht so, dass Hafer gut mit anderen Getreidearten konkurrieren könne.
Ein anderes Problem: Die Lager-Infrastruktur für Getreide in Deutschland ist nicht mehr auf die im Vergleich zu anderen Getreidearten geringen Erntemengen ausgelegt. Es gebe meist nur noch große Lagerhäuser, die große Mengen gängiger Getreidesorten umschlagen und keine Technik für die kleineren Hafermengen hätten, sagte Johann Meierhöfer, DBV-Fachbereichsleiter Pflanzliche Produktion. Hierzu gäbe es aber derzeit Gespräche zwischen den beteiligten Akteuren.
Das Bundesland mit der größten Hafer-Anbaufläche ist Bayern. Auch hier sank die Anbaufläche von 2022 auf 2023 um knapp 13 Prozent auf 25 200 Hektar. Dabei sei Hafer eigentlich eine „super“ Kultur, sagte Anton Huber, Experte für Getreide und Ölsaaten beim Bayerischen Bauernverband (BBV): „In den vergangenen Jahren fehlte es leider an der Wertschöpfung, und auch die Frühjahrstrockenheit der vergangenen Jahre hat dem Anbau geschadet.“
Damit es zu einer Trendwende kommen kann, sei auch der Verbraucher gefragt. „Wichtig ist, dass auch beim Einkauf von Haferdrinks auf Regionalität geachtet wird, sonst ist es mit Nachhaltigkeit, die man den Drinks zuspricht, gleich vorbei.“ Bei stabileren Preise und mehr regionaler Verarbeitung würden auch mehr Landwirte auf den Haferanbau setzen, zeigte sich Huber überzeugt.
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