Als er für seinen Film „Das Leben der Anderen“ mit einem Oscar ausgezeichnet wurde, war der Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck erst 33 Jahre alt. Morgen (2. Mai) wird er 50.
Zum Geburtstag erzählt er von seinen Plänen und davon, was ihn manchmal vom Filmemachen abhält - plötzlich auftretende Leidenschaften für alle möglichen Dinge nämlich, zum Beispiel: Parfüm oder Barocke Deko-Delfine.
Im Moment sieht es so aus, als ob ich ihn vielleicht ganz alleine in Peking werde feiern müssen. Ich habe hier einen Vortrag auf dem Filmfest gehalten. Während der Reise ist aber die laminierte Fotoseite aus meinem deutschen Pass komplett herausgebrochen, und die Fluglinie hat mich damit, als ich den Rückflug antreten wollte, nicht an Bord gelassen. Mal sehen, wie schnell das deutsche Konsulat einen neuen Pass herzaubern kann!
Ansonsten wäre ein Florida-Aufenthalt mit meiner Familie geplant. Wir wollten im Boot aufs Meer hinausfahren, und ich hatte die Hoffnung, auf dieser Tour zum ersten Mal einen Tarpun zu fangen. Während der Pandemie habe ich mit dem Angeln angefangen. Meine Frau und meine Kinder können mit dieser neuen Leidenschaft wenig anfangen, aber an so einem wichtigen Geburtstag müssen sie doch mitmachen, oder?
Ich möchte den fünfzigsten später dann mit meinen Freunden und Verwandten noch einmal groß nachfeiern, sobald der nächste Film abgedreht ist, das Fest vielleicht sogar zusammenlegen mit einer Vorpremiere des Films.
Wenn man sieht, mit welcher Kraft die Achtzigjährigen sich in Amerika um die Präsidentschaft prügeln, dann mache ich mir über die fünfzig nicht so viele Gedanken. In gewisser Hinsicht machen ein paar graue Haare meinen Job als Regisseur auch einfacher - jeder tut sich leichter, von einem gestandenen Mann Anweisungen entgegenzunehmen, als von einem Jüngling.
Vielleicht ist es auch diesem Umstand geschuldet, dass Hitchcock seine bekanntesten Filme - „Fenster zum Hof“, „Vertigo“, „Psycho“, „Die Vögel“ - erst in seinen Fünfzigern und Sechzigern drehte. Und Michael Haneke mit 47 überhaupt seinen ersten Film.
Sechzehn Jahre sind eine lange Zeit. Meine Tochter war damals drei, jetzt ist sie neunzehn und studiert Mode-Design in New York. Mein Kleinster noch in Christianes Bauch, jetzt ist er fünfzehn und schlägt mich auf der Rudermaschine. Aber ja, ich erinnere mich natürlich gut an den ganzen Trubel. Das ging ja schon fast ein Jahr vorher los und ging sicher noch ein Jahr danach weiter.
Steven Spielberg sagte mir hinter der Bühne direkt nach der Verleihung: „Du wirst jetzt immer mit diesem Preis verbunden sein. Du wirst ewig Oscar-Gewinner sein. Deine Kinder werden immer die Kinder eines Oscar-Gewinners sein. Sogar Deine Enkelkinder.“
Ich verstehe zwar, was er meint. Aber es würde mir zum Beispiel schon bei Spielberg selbst nie einfallen, als erstes bei der Erwähnung seines Namens zu denken: „Oscar-Preisträger!“ Ich würde wirklich eher an seine großen Kinofilme denken wie „Jurassic Park“ oder „Ready Player One“.
Ganz sicher. Ich glaube, es gibt keinen Filmemacher mehr, der das verneinen würde. Über die letzten 15 Jahre sind im Fernsehbereich so brillante und unterhaltende Serien entstanden, dass wir Kinoleute ganz und gar demütig werden: „Breaking Bad“, „House of Cards“, „Downton Abbey“, „Das Damengambit“, „The Night Agent“ und viele mehr.
Das Regie-Handwerk ist ja bei Streaming und Kino das gleiche. Natürlich geht außerhalb des Kinos viel von der Wucht der Bilder und des Tons verloren. Dafür hat man aber bei Streaming mehr Flexibilität in Sachen Laufzeit.
Der Produzent von „Das Damengambit“ hat zum Beispiel jahrzehntelang versucht, den Roman in einen Kinofilm zu zwängen. Es ging einfach nicht. Schließlich kam Netflix als der Retter, sagte: „Nehmt euch soviel Zeit wie ihr wollt. Sechs Folgen, wenn es sein muss.“ Am Ende wurden es sieben, und auch das war für die in Ordnung.
Das ist schon eine große kreative Freiheit! Und da der absolute Großteil der Zuschauer meine Kinofilme sowieso auf dem kleinen Bildschirm sieht, vielleicht sogar auf dem Handy, muss ich damit ohnehin meinen Frieden schließen.
Das war ja nicht nur bei „The Tourist“ und „Werk ohne Autor“ so, sondern auch schon bei „Das Leben der Anderen“ - eine Studentin hat mir einmal eine prachtvoll in Leinen gebundene Diplomarbeit zugeschickt mit den gesammelten bösen Kritiken zu „Das Leben der Anderen“, die sie wissenschaftlich analysiert hatte.
Ich habe ein, zwei gelesen, mich dann geärgert und das Buch in den Papierkorb geworfen. Bei „The Tourist“ habe ich ein paar mehr der bösen Kritiken gelesen, weil ich einfach verstehen wollte, warum so ein liebevoller, sanfter Film, der, wie Sie sagen, beim Publikum ja auch sehr gut ankam, bei manchen Kritikern solch leidenschaftlichen Hass ausgelöst hat. Ganz dahinter gekommen bin ich immer noch nicht. Vielleicht können Sie es mir ja erklären?
Aber bei „Werk ohne Autor“ habe ich dann nicht eine einzige Kritik mehr gelesen. Nicht etwa, um mich zu schützen, sondern einfach, weil es mich wirklich nicht mehr interessierte. Ich weiß, dass ich alles gebe, um die Zuschauer mit meinen Filmen zu unterhalten und zu berühren. Und mir ist irgendwann klar geworden: Ich mache diese Filme für die Menschen, die sie mögen. Wenn jemand sie hasst, kann das nicht meine Sorge sein.
Es gibt einen klugen Satz, der verschiedenen Regisseuren zugeschrieben wird: „Wer nur etwas von Film versteht, versteht auch davon nichts.“ Ich gehe vielen Interessen und Leidenschaften nach. Das ist vielleicht eine der entscheidenden Dinge, die mir der Erfolg meiner Filme ermöglicht hat. Die wichtigste Produktion bleibt eben doch das eigene Leben.
Ich weiß aber gar nicht, ob ich eigentlich eine Wahl gehabt hätte, ob ich ihnen nachgehe oder nicht. Denn diese Leidenschaften überkommen mich mit großer Vehemenz und ganz unvermittelt, ungefähr so wie eine „amour fou“ den Helden eines französischen Romans. Plötzlich kann ich mich mit nichts anderem beschäftigen als mit - sagen wir - dem Leben von Wladimir Iljitsch Lenin, zwei Jahre lang vielleicht.
Ich bereise dann die Orte, an denen er gelebt hat, sammle Fotos von ihm, lese alle seine Schriften. Und das wird dann auf einmal recht nahtlos abgelöst von einem fanatischen Interesse für die Rahmenkunst. Und dann werde ich ein oder zwei Jahre lang blind für alles andere als Rahmen: Ich lerne alles über das Rahmenmachen, jeden Aspekt; lese Bücher darüber, kaufe Rahmen bis das Haus überquillt - überlege mir sogar, ob ich nicht den Beruf wechseln sollte und Rahmenmacher werden; aber dann kommt auch schon die nächste Welle, und plötzlich ist es Parfüm, was mein ganzes Denken einnimmt.
Dann sammle ich die 200 wichtigsten Zutaten von Parfüms zusammen, übe mich darin, sie in jeder Mischung zu erkennen, schaue jeden Dokumentarfilm darüber, besuche die Ateliers von großen Parfümeuren und könnte am Ende wahrscheinlich bei „Wetten, dass..?“ auftreten und die Parfüms jedes Zuschauers identifizieren.
Ich bin ein Leben lang in den Fängen dieser sich ablösenden Lieben gewesen: Anstecknadeln von Automarken bei der IAA als Kind, dann Naturschwämme, Erstausgaben von deutscher Literatur der Zwischenkriegszeit, Puppenmöbel, Porträtmalerei, Porzellan, Afrikanische Stammeskunst, Faustwaffen, barocke Delfine als Zierelement, Albumin-Fotografie, Angeln usw. Alle paar Jahre packt mich allerdings auch eine genau solche Leidenschaft für eine Filmstory. Und dann stecke ich mein ganzes Leben halt in den Film.
Seit dem letzten Film ging aber auch sehr viel meiner Zeit und Aufmerksamkeit darauf, drei Kinder halbwegs unbeschadet durch eine Pandemie zu bringen. Ich glaube, die Politik hat sich an der jüngeren Generation besonders versündigt. Das habe ich versucht, durch Gespräche und Aktivitäten und einfach für die Kinder da zu sein, etwas auszugleichen.
Florian Henckel von Donnersmarck wurde in Köln geboren. Nach der Oscar-Auszeichnung seines Debütfilms „Das Leben der Anderen“ als bester internationaler Film zog er mit seiner Familie nach Los Angeles. Seitdem brachte er die Filme „The Tourist“ und „Werk ohne Autor“ heraus. Der über zwei Meter große Filmemacher lebt mit seiner Frau Christiane Asschenfeldt in den USA, sie haben drei Kinder.
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