Am Ende des Lebens sorgt vielleicht der Geschmack von Kaffee auf einem Tupfer für einen Glücksmoment. Oder eine aufgelegte Hand spendet Trost. Viele Menschen wissen aber nicht oder sind unsicher, wie sie ihre sterbenden Angehörigen angemessen begleiten können.
Diese „Letzte Hilfe“ ist lernbar - und es gibt hessenweit entsprechende Kurse. „In der Ersten Hilfe lernen wir, was wir tun können in einer Situation, die uns eigentlich überfordert und wo wir denken: Hier müssen doch Profis ran! Aber wir lernen, dass es trotzdem Dinge gibt, die wir tun können. So ist es auch in der Letzten Hilfe“, sagt Elke Görnt-Au. Sie ist Koordinatorin beim Hospizdienst Wetterau und hält seit mehreren Jahren Letzte-Hilfe-Kurse. Diese sollen Laien Sicherheit vermitteln, „analog wie ein Erste Hilfe-Kurs“. Natürlich brauche es Mediziner und palliativ gebildetes Fachpersonal, die am Lebensende bereitstehen, sagt Görnt-Au. „Und trotzdem gibt es ganz viel, was wir als Ehefrau, als Nachbarin, als Freundin tun können. Wir sind nicht hilflos.“
Die Teilnehmenden kommen ihrer Erfahrung nach meist aufgrund eigener Betroffenheit. „Etwa die eine Hälfte der Teilnehmer blickt bereits auf einen Verlust zurück und sagt, sie hätten gerne anders gehandelt und wollen jetzt lernen, wie es geht. Die andere Hälfte hat vielleicht einen kranken Ehepartner und möchte sich vorbereiten auf das, was kommen kann.“ Zudem gebe es immer auch Personen, die aus allgemeinem Interesse an dem Thema zuhören.
Wie vor kurzem in Butzbach im Wetteraukreis. Görnt-Au und Co-Kursleiterin Daniela Döring begrüßen zwölf Frauen zum viereinhalbstündigen Seminar. „Vorbereitet sein“. „Wissen, wie man es anders machen kann.“ Das sagen mehrere von ihnen zur Motivation, herzukommen. Manche begleiteten schon einen Elternteil beim Sterben, machten Erfahrungen dabei, die sie nicht wiederholen wollen. Andere haben todkranke Ehemänner zu Hause.
Teilnehmerin Carola Blecher führen mehrere Gründe her. Nach dem Tod des Schwiegervaters vor einigen Monaten gehe es ihr darum zu lernen, wie Schwerstkranke oder Sterbende anders beziehungsweise besser begleiten werden können. Sie wolle erfahren, wie sie bei einem nächsten Mal „anders Abschied nehmen und das auch gut in Erinnerung behalten kann“. Und: Die eigene Mutter habe viele Menschen an deren Lebensende begleitet, sagt Blecher, die seit kurzem Schatzmeisterin beim Hospizdienst Wetterau ist, bei dem vor allem Ehrenamtliche arbeiten. Sie wolle auch für ihre Eltern da sein und vorbereitet sein, wenn es einmal soweit sei.
Der Letzte-Hilfe-Kurs, konzipiert von einem Palliativmediziner, behandelt mehrere Themenbereiche. Es geht um mögliche Anzeichen für den nahenden Tod, um Vorsorgen und Entscheiden oder darum, wie Leiden gelindert und Abschied genommen werden kann. An einem Praxisbeispiel zum Thema Mundpflege erfahren die Teilnehmerinnen, wie sie konkret Schwerkranke unterstützen können.
Görnt-Au zufolge sollen Betroffene auch wissen, dass sie nicht alleine sind und leicht Hilfe finden können: „Es gibt im Bereich der Palliativversorgung ein Netzwerk, das ist sehr tragfähig und gerade hier in der Wetterau gut bestückt. Es reicht, wenn Betroffene an einem Ende den Kontakt aufnehmen - etwa beim Hospizdienst - und dann fängt mich das Netz auf, wenn ich das will.“
Es gibt verschiedene Berufszweige, Einrichtungen und Dienste, die sich am Lebensende um die Menschen kümmern: Dazu gehören stationäre Hospize, ambulante und häufig ehrenamtlich getragene Hospizdienste, Palliativstationen in Krankenhäusern, Palliativmediziner oder Teams, die auf die ambulante Palliativversorgung spezialisiert sind.
Nach Angaben des Deutschen Hospiz- und Palliativverbands engagieren sich mehr als 120.000 Menschen „ehrenamtlich, bürgerschaftlich und hauptamtlich und unterstützen die Arbeit für schwerst kranke und sterbende Menschen“. Die Betroffenen sollen während ihrer letzten Lebensphase „nicht auf die Geborgenheit und die Wärme einer vertrauensvollen Begleitung verzichten müssen“. Wenn es ihr Wunsch sei, sollen sie „soweit wie möglich“ in ihrem gewohnten häuslichen Umfeld betreut und versorgt werden. Credo sei: „Hierbei müssen die Fortschritte der Schmerztherapie und die Möglichkeiten der Linderung schwerer körperlicher Symptome allen schwerst kranken und sterbenden Menschen gleichermaßen zugutekommen.“
Wie am Lebensende auch Laien unterstützen können - Letzte Hilfe-Kursteilnehmerin Carola Blecher nimmt von dem Seminar einiges für sich mit, wie sie sagt: „Der Kurs hat mir gezeigt, dass ich nicht so hilflos bin und konkret etwas tun kann.“ Wichtig sei auch die Erkenntnis, „dass es in Ordnung ist, auch mal nichts zu tun und einfach da zu sein“.
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