Mehrere Hundert deutsche Staatsbedienstete wie Diplomaten, Lehrer und Mitarbeiter der Goethe-Institute müssen Russland verlassen.
Nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ teilte das Auswärtige Amt auf Anfrage mit, im Zusammenhang mit der Reduzierung der Präsenz russischer Nachrichtendienste in Deutschland habe das russische Außenministerium im April die Entscheidung getroffen, für den Personalbestand der deutschen Auslandsvertretungen und Mittlerorganisationen in Russland ab Anfang Juni eine Obergrenze einzuführen.
Aus dem Ministerium hieß es dazu, diese Grenze erfordere „einen großen Einschnitt in allen Bereichen unserer Präsenz in Russland“. Es sei eine „einseitige, nicht gerechtfertigte und nicht nachvollziehbare Entscheidung“ Russlands.
Im russischen Außenministerium in Moskau wies Sprecherin Maria Sacharowa das als eine „neue Lüge“ Berlins zurück. Russland greife nicht von sich aus zu solchen Mitteln, sondern reagiere auf entsprechende Schritte der deutschen Seite. „Es gibt eine Vielzahl von Schritten gegen Russland, russophoben Inhalts“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.
Sacharowa warf dem Auswärtigen Amt vor, im Verborgenen zu handeln. Schon zuletzt habe Deutschland zuerst öffentlich zurückgewiesen, dass es noch mehr russische Diplomaten ausweise und dann doch Dutzende nach Hause geschickt. „Das ist eine klar belegte Lüge“, meinte die Ministeriumssprecherin. Im April wies Moskau nach der erzwungenen Ausreise russischer Diplomaten aus Berlin mehr als 20 deutsche Diplomaten aus. Sacharowa sprach damals von einer Reaktion auf „feindliche Handlungen“ Berlins und kündigte eine Begrenzung des Personals in deutschen Vertretungen in Russland an.
Zahlen zu einer Obergrenze oder Ausweisungen nannte Sacharowa nicht. Sie sagte, es sei Sache Deutschlands, das zu erklären. „Deutschland hat die ganze Geschichte mit den Ausweisungen begonnen - nicht wir. Für mich ist es das Rätsel des Jahrhunderts, warum Deutschland nicht offen kommuniziert bei diesem heißen Thema, das die russisch-deutschen Beziehungen betrifft“, sagte sie.
Das Auswärtige Amt machte keine Angaben dazu, wie viele deutsche Mitarbeiter in Russland davon betroffen sind. Der „Süddeutschen Zeitung“ zufolge ging es um eine niedrige bis mittlere dreistellige Zahl Diplomaten, aber vor allem Kulturmittler, wie etwa Lehrerinnen und Lehrer der deutschen Schule in Moskau und in erheblicher Zahl Mitarbeiter der Goethe-Institute.
Deutschland und Russland hatten im Zuge ihrer schweren Spannungen in der Vergangenheit immer wieder gegenseitig Diplomaten ausgewiesen. Dem Vernehmen nach waren es im April 34 auf jeder Seite. Voriges Jahr im April lag die Zahl bei 40. Schon jetzt sind die Vertretungen stark ausgedünnt, die Dienstleistungen für deutsche Staatsbürger sind reduziert oder mit längeren Wartezeiten etwa bei der Ausstellung von Dokumenten verbunden. Die Lage hat sich mit Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine deutlich verschärft.
Der Bundesregierung gehe es nun darum, eine Minimalpräsenz der Mittler in Russland bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung auch der diplomatischen Präsenz sicherzustellen, hieß es aus dem Auswärtigen Amt. Dies sei nur möglich, wenn „in allen Bereichen die Zahl der Mitarbeitenden teils stark reduziert wird“. Mit Blick auf die Obergrenze bei der russischen Präsenz in Deutschland werde die Bundesregierung darauf achten, dass auch in der Praxis eine echte Ausgewogenheit bestehe, hieß es weiter.
Moskau beklagt etwa, dass sein Haus der Wissenschaft und Kultur im Zuge des russischen Krieges gegen die Ukraine mit Sanktionen belegt ist. Im Gegenzug sah sich das Goethe-Institut in Russland ebenfalls mit Problemen konfrontiert etwa wegen nicht nutzbarer Konten.
Sacharowa sagte der dpa auch, dass erst dieser Tage wieder russischen Medien in Deutschland Konten gesperrt worden seien. Sie nannte keine Namen, kündigte allerdings auch hier entsprechende Schritte gegen deutsche Medien in Russland an. „Wir machen das nicht aus Vergnügen, werden aber antworten“, sagte sie. In der Vergangenheit hatte der russische Staatsfernsehsender RT ebenfalls Probleme bei Bankgeschäften in Deutschland beklagt.
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