Da steht es, das Kleinkalibergewehr. Auf einer Matte am Schießstand der Skisporthalle in Oberhof. Mit einer Art kleinem Stativ, auf dem der Lauf der Waffe ruht.
Die Zielscheiben sind 50 Meter entfernt, eingefasst in Beton. Genau so, wie es den offiziellen Normen entspricht. Mit dieser Waffe also schießen die Biathletinnen und Biathleten, die im Winter für hohe Fernseheinschaltquoten sorgen.
Biathlon, das ist Langlaufen und Schießen im Wechsel. Man zielt mal im Stehen, mal im Liegen. Mit einem Puls, der es vielen Menschen schon unmöglich machen würde, die Waffe auch nur still zu halten.
Wer diese Sportart selbst ausprobieren will, ist im Thüringer Wald genau richtig. Im Liegen, bei vier Grad minus, auf einer Mischung aus echtem und künstlichem Schnee in der Skihalle. Ja, das Gästebiathlon an diesem Tag in Oberhof, hier, auf rund 800 Metern Höhe am Rennsteig, ist eine Indoor-Veranstaltung.
Die erste Leistung: Die richtige Position zur Waffe finden. Trainerin Anne Mittelsdorf erklärt, wie es geht: der Zeigefinger am Abzug, die anderen am Schaft darunter. Ob man mit dem rechten oder dem linken Auge zielt, ist Geschmackssache - und kommt auf die Sehleistung an.
Ein Trick: kurz die Augen schließen
Während es unter Bauch und Beinen kühl wird, folgt der schwierige Teil. Durch den Diopter - das kleine Sehloch mit 1,2 Millimetern Durchmesser - und das Ringkorn auf dem Lauf der Waffe werden nun die schwarzen Scheiben anvisiert. Im Wettkampf muss das mit Puls 160 funktionieren.
Mit ruhigem Atem erscheint die Aufgabe machbar. Die Magazine mit den Patronen werden seitlich in einen Schacht geschoben, immer fünf Schuss, 5,6 Millimeter Geschossdurchmesser. Eine Übungseinheit gibt es, damit ein Gefühl für den Ablauf entsteht: konzentrieren, Waffe laden, Punkt anvisieren, Luft anhalten, abdrücken. Das kleine schwarze Rund der Zielscheibe wird weiß. Getroffen!
Nach jedem Schuss raucht das Rohr. Beim Nachladen, Fachbegriff Repetieren, fliegt die Hülse aus der Waffe, die nächste Patrone wird vom Mechanismus aus der Magazinfeder ins Patronenlager gedrückt und in den Lauf geschoben.
„Acht Sekunden etwa kann das Auge so genau fokussieren“, erläutert Mittelsdorf. Ein Trick: Wer abgelenkt wird oder nicht richtig hinschaut, macht die Augen kurz zu und setzt neu an.
Doch mit dem Schießen ist der Biathlonkurs noch nicht vorbei. Auf die Teilnehmer wartet unter dem Dach der Halle eine Loipe. Wer es noch nicht konnte, ist am Ende der knappen Stunde Langlauf-Einweisung in der Lage, eine kleine Runde zu fahren.
Vier Grad minus das ganze Jahr
Die Wintersporthalle ist ein einzigartiges Gebäude in Europa - ganzjährig hat es drinnen vier Grad minus, der Schnee ist auch im Hochsommer bestens präpariert. Drei Loipen gibt es. Sie folgten weitgehend dem natürlichen Verlauf des Geländes, auf dem die Halle steht, sagt Mittelsdorf.
„Wenn man die drei Strecken hintereinander fährt, ergibt sich eine Runde von 1754 Metern“, so die Trainerin. Wer möchte, kann aber auch im Freien Langlaufski fahren, wenn das Wetter mitspielt und rund 1400 Kilometer Loipen und Skiwanderwege im Thüringer Wald gespurt sind.
Anderenorts, zum Beispiel im bayerischen Ruhpolding, im österreichischen Hochfilzen oder in Lenzerheide in der Schweiz wird Biathlon für zahlende Touristen im Freien angeboten, meist in offenen Arenen, doch in Oberhof wird während dieses Kurses nur in der Halle geschossen. Je nach Anbieter oder Können gibt es gleichwohl Möglichkeiten, sich draußen an der Waffe auszuprobieren.
Doch im Indoor-Schießen kann man Vorteile sehen - für den schnellen Erfolg an der Zielscheibe. Denn draußen, so Schießsportleiter Uwe Frankenberg, lauern Widrigkeiten wie Wind und Nebel, die den Umgang mit dem Kleinkalibergewehr nicht gerade leichter machen.
© dpa-infocom, dpa:240109-99-545774/3