Israels Armee hat ihren Bodeneinsatz im Gazastreifen am Weihnachtswochenende nach eigenen Angaben ausgeweitet und konzentriert sich dabei auf das weitverzweigte Tunnelnetz der islamistischen Hamas.
Die Truppen seien in „komplexe Gefechte in dicht besiedelten Gebieten“ verwickelt und spürten vor allem in den Tunneln im Untergrund „terroristische Infrastrukturen“ auf, sagte Armeesprecher Daniel Hagari. Die Zerstörung der Tunnel in der südlichen Stadt Chan Junis und anderen Gebieten sei zeitaufwendig. Zuvor hatte das Militär erklärt, man nähere sich nun der vollständigen Kontrolle über den Norden des Küstenstreifens.
Um das grauenhafte Leiden der Zivilbevölkerung zu lindern, hatte der Weltsicherheitsrat am Freitag nach tagelangem Ringen in einer Resolution die Aufstockung der humanitären Hilfe gefordert. Eine unverzügliche Waffenruhe wird in dem aufgeweichten Kompromisstext dagegen nicht gefordert.
Die USA als wichtigster Verbündeter Israels enthielten sich bei der Abstimmung. US-Präsident Joe Biden machte nach Angaben des Weißen Hauses Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu in einem Telefonat deutlich, Zivilisten, einschließlich humanitärer Helfer, müssten unbedingt geschützt werden.
Jedem vierten Palästinenser in Gaza droht nach Angaben der Vereinten Nationen der Hungertod. Die US-Regierung hatte zuletzt immer wieder im Gespräch mit Israels Führung auf gezieltere militärische Einsätze gepocht, die sich auf die Führung der Hamas konzentrieren sollten.
Diese versteckt sich nach Angaben Israels in den Tunneln unter dem Küstengebiet. Um diese zu zerstören, habe man zum Beispiel in der südlichen Stadt Chan Junis die technischen Kräfte deutlich verstärkt, sagte Armeesprecher Hagari. Die Kapazitäten der dort kämpfenden Division würden in den kommenden Tagen weiter ausgebaut.
Unterhalb des Gazastreifens erstreckt sich über viele Kilometer ein ganzes Netzwerk aus Tunneln, in denen sich laut Israel etliche Terroristen der Hamas verstecken und dort auch Geiseln aus Israel festhalten. Um Israels Bomben aus der Luft widerstehen zu können, reichen manche Tunnel Dutzende Meter unter die Erde. Die Terroristen nutzen die unterirdischen Wege zugleich, um aus dem Nichts aufzutauchen und hinterrücks anzugreifen. Viele der Tunnel sind mit Sprengfallen versehen, um israelische Soldaten, die dort eindringen, zu töten.
Seit Beginn des Krieges habe man etwa 30.000 Sprengkörper, darunter Panzerabwehrraketen und Raketen im Besitz der islamistischen Hamas zerstört oder beschlagnahmt, sagte Hagari weiter. Israels Militär hatte zuvor mitgeteilt, einen ranghohen Hamas-Funktionär, der für den eigenen Waffennachschub verantwortlich gewesen sei, getötet zu haben.
Im Norden ist Israel nach eigenen Angaben derweil dabei, die Kontrolle über das Gebiet zu übernehmen. Das „Wall Street Journal“ zitierte jedoch israelische Militäranalysten, wonach eine solche Kontrolle nicht bedeute, dass das Militär die Präsenz der Hamas beseitigt hat. Vielmehr schränke Israel nur die Möglichkeiten der Hamas zur Durchführung von Angriffen ein. Wegen der Tunnel könne Israel seine Kontrolle über Gaza nicht festigen. Daher konzentriere sich die Armee nun verstärkt auf die Tunnel, hieß es.
In einem Waffenlager der islamistischen Hamas im Gazastreifen hat das israelische Militär nach eigenen Angaben für Kinder angepasste Sprengstoffgürtel gefunden. Wie die Armee am Morgen weiter mitteilte, hat sich das Waffenlager in einem zivilen Gebäude im Norden des abgeriegelten Küstengebiets befunden, das an Schulen, einer Moschee und einer Klinik angrenze. In dem Waffenlager seien außer den Sprengstoffgürteln auch Dutzende Mörsergranaten, Hunderte von anderen Granaten und Geheimdienstdokumente gefunden worden.
Bislang seien während des Bodeneinsatzes mehr als 700 Mitglieder von Terrororganisationen in dem Küstenstreifen gefangen genommen worden, teilte Israels Militär am Samstag weiter mit. Innerhalb einer Woche seien es allein mehr als 200 gewesen. Sie seien für Verhöre nach Israel gebracht worden. Einige hätten sich ergeben. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig prüfen.
Auslöser des Kriegs war der schlimmste Angriff in der Geschichte Israels, den Terroristen der Hamas sowie anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober nahe der Grenze zum Gazastreifen verübt hatten. Auf israelischer Seite wurden in der Folge mehr als 1200 Menschen getötet. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und begann Ende Oktober mit der Bodenoffensive. Laut der Hamas-Gesundheitsbehörde in Gaza wurden seither mehr als 20.000 Menschen in dem Gebiet getötet.
Unterdessen heulten am Morgen im Norden Israels wieder die Sirenen, wie die Armee bekanntgab. An der Grenze zum Libanon war es zuvor erneut zu gegenseitigen Angriffen gekommen. Israelische Soldaten hätten im Nachbarland unter anderem ein Militärgelände und weitere Ziele der Schiitenmiliz Hisbollah attackiert, teilte die Armee mit. Es seien mehrere Raketenstarts und Angriffe mit Mörsergranaten aus dem Libanon Richtung Israel registriert worden. Die Hisbollah-Miliz ist eng mit Israels Erzfeind Iran verbunden.
Dieser ist nach US-Geheimdienstinformationen tief in die Planung der Angriffe von Huthi-Rebellen auf Schiffe im Roten Meer verwickelt. Auch ist der Iran nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums für einen Drohnenangriff auf ein Handelsschiff im Arabischen Meer vor der Küste Indiens verantwortlich.
Der unter liberianischer Flagge fahrende Öl- und Chemikalientanker „MV Chem Pluto“ sei von einer Angriffsdrohne aus dem Iran getroffen worden, teilte das Pentagon in Washington mit. Ein Feuer an Bord des Tankers sei gelöscht worden. Bei dem Vorfall habe es keine Toten oder Verletzten gegeben, hieß es in der Mitteilung von weiter.
Das US-Militär hat im Roten Meer nach eigenen Angaben vier Drohnen abgeschossen, die aus einem von Huthi-Rebellen kontrollierten Gebiet im Jemen gestartet worden sein sollen. Das zuständige Regionalkommando des US-Militärs teilte in der Nacht auf X (ehemals Twitter) mit, dass es bei dem Vorfall am Samstag weder Schäden noch Verletzte gegeben haben soll.
Den US-amerikanischen Angaben zufolge wurden am Samstag auch zwei Raketen der Huthi auf internationale Schifffahrtsrouten im Roten Meer abgefeuert. Es habe keine Berichte von Schiffen gegeben, die von den Raketen getroffen wurden. Die Rebellen äußerten sich bisher nicht zu den Angriffen.
Israel weist Berichte über Gräueltaten israelischer Soldaten bei einem Krankenhaus im Gazastreifen als Lügen zurück. Die Armee (IDF) habe nichts mit Leichen zu tun, die beim Kamal Adwan-Krankenhaus in Dschabalia im Norden des Gazastreifens entdeckt worden seien, stand in einer Mitteilung.
Unter anderem sei in sozialen Medien ein Video verbreitet worden, in dem ein roter Bulldozer angeblich Menschen bei einem Krankenhaus unter sich begräbt, hieß es weiter. Dieses Video stamme jedoch aus dem Jahr 2013 und habe nichts mit dem aktuellen Einsatz israelischer Soldaten in Dschabalia zu tun. Die Angaben beider Seiten ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
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