Gütesiegel versprechen geprüfte Qualität, sie kleben auf Lebensmitteln, auf Elektrogeräten - und auf den Webseiten von Unternehmen. Hier verheißen sie beispielsweise Top-Karrierechancen, einen Top-Arbeitgeber oder familienfreundliche Arbeitsbedingungen. Sie sollen eine Firma im Wettstreit um Fachkräfte attraktiv machen.
Doch nach welchen Kriterien werden die Siegel eigentlich vergeben? Und wann können sie für Menschen auf Jobsuche eine Orientierungshilfe sein? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Eine Aufzählung wäre lang und mit Sicherheit trotzdem noch unvollständig. Das Deutsche Institut für Qualitätsstandards und Prüfung (DIQP), das selbst Arbeitgeber-Gütesiegel anbietet, schätzt die Gesamtzahl der Siegel, Awards und Rankings auf mehr als 500. Vergeben werden sie von Unternehmen, Verbänden, Vereinen.
„Es ist für Jobsuchende sehr schwierig, angesichts dieser großen Zahl die für sie sinnvollen Siegel zu identifizieren“, sagt Christoph Brast, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Westfälischen Hochschule in Bocholt. Er hat sich im Rahmen einer Forschungsarbeit an seinem Lehrstuhl näher mit den Gütesiegeln beschäftigt, sowohl mit den Methoden, nach denen sie vergeben werden, als auch mit der Bedeutung, die sie für Jobsuchende haben.
Standardisierte Vergabeverfahren gibt es nicht. Manche Gütesiegel sind das Ergebnis eines Wettbewerbs zwischen Arbeitgebern, andere werden auf der Basis von Zertifizierungen vergeben. Es gibt Siegel, für die sich Unternehmen zu einem Verhaltenskodex bekennen müssen. Andere spiegeln das Ergebnis von Image-Umfragen wieder, also das Ansehen einer Firma entweder unter den eigenen Beschäftigten oder allgemein in der Gesellschaft. Meist kostet die Zertifizierung Geld, je nach Anbieter auch mal mehr als 10 000 Euro.
Gemeinsam ist den Labeln vor allem eines: Man kennt sie nicht. „Unsere Befragungen im Rahmen der Studie haben gezeigt, dass 80 bis 90 Prozent der Siegel den meisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern kein Begriff sind“, sagt Brast. Zu den bekannteren Siegeln gehörten „Great Place to Work“, „Top Arbeitgeber“ und die Zertifizierung „Ausgezeichneter Arbeitgeber“ des TÜV Rheinland. Alle drei haben ähnliche Vergabeverfahren: Es werden Mitarbeiter befragt, außerdem die Unternehmenskultur, die Arbeitgeberleistungen oder das Personalmanagement bewertet.
Auch „Kununu“ habe, so Brast, einen hohen Bekanntheitsgrad. Auf der Onlineplattform können Beschäftigte - auch ehemalige - anonym Bewertungen abgeben.
Unabhängigkeit, Transparenz und regelmäßige Überprüfungen: Das ist bei Gütesiegeln wichtig. Aber selbst für Experten sei es „sehr schwer zu erkennen, welche Siegel Relevanz haben“, sagt Marcus K. Reif, der sich als Personalmanager und Recruiting-Experte schon seit Jahren mit dem Wert der Siegel beschäftigt. Aussagekraft haben seiner Ansicht nach jene Label, „die einen gewissen Aufwand erfordern“, die mit einem mehrwöchigen Verfahren verbunden sind, mit intensiven Fragebögen, Analysephasen, Audits.
Wenig Wert hätten dagegen „anstrengungsfreie Siegel, die man kauft oder die nur auf einer Selbstverpflichtung auf einen Verhaltenskodex beruhen“. Für Jobsuchende jedenfalls ist es nicht anstrengungsfrei, wenn sie mehr über ein Siegel erfahren wollen, mit dem sich ein potenzieller Arbeitgeber anpreist: Es ist oft mühsam, Informationen über die jeweiligen Bewertungskriterien zu finden.
Mit Gütesiegeln machen Firmen Werbung für sich, „sie sollen signalisieren: Vertraut mir“, sagt Christoph Brast. Aber ist das nur schöner Schein oder tatsächlich ein Beleg für gute Arbeitsbedingungen? „Gute Siegel können im Zertifizierungsprozess durchaus Veränderungen anstoßen, sie können wichtige Impulse in die Organisation hineingeben“, sagt Marcus K. Reif.
Das gelte besonders für Gütesiegel, für die ein Unternehmen in regelmäßigen Abständen neu geprüft wird, betont Hochschulprofessor Brast: „Wenn Siegel befristet vergeben werden, ist die Chance groß, dass sich dadurch etwas ändert. Denn es wäre ja peinlich, wenn man das Siegel wieder verliert.“ Vor allem für Berufserfahrene seien die Gütesiegel durchaus relevant, ergaben die Befragungen im Rahmen der Forschungsarbeit an seinem Lehrstuhl.
„Nachvollziehbar“, sagt Brast, „je mehr Berufserfahrung man hat, desto mehr Gedanken macht man sich, wo es beim nächsten Karriereschritt hingehen soll“. Allerdings sinke zugleich mit höherem Lebensalter das Vertrauen in die Siegel. Brast empfiehlt Unternehmen deshalb, „bei der Siegelwahl nur zu versprechen, was man wirklich halten kann“. Das Siegel müsse zum Unternehmen passen. „Und man sollte möglichst viele Informationen über das Siegel offenlegen.“
Manchmal muss man sich für einen neuen Job zwischen zwei möglichen Arbeitgebern entscheiden. Die Tatsache, dass sich einer von beiden mit einem Gütesiegel schmückt, sollte dabei nicht ausschlaggebend sein. „Arbeitgeber, die kein Siegel vorweisen können, sind nicht automatisch schlechte Arbeitgeber“, sagt HR-Experte Reif. Vor allem über die sozialen Medien habe man die Möglichkeit, deutlich umfassendere Informationen über ein Unternehmen zu sammeln, beispielsweise indem man über Job-Netzwerke wie Xing oder Linkedin Kontakt zu Beschäftigten aufnimmt.
„Am Ende macht es der Mix aus Informationen“, sagt auch Christoph Brast: „Ein Gütesiegel ist dabei nur ein Puzzleteil.“
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