Bundeskanzler Olaf Scholz hat eine Anhebung des Renteneintrittsalters erneut klar abgelehnt. „Für mich ist es eine Frage des Anstands, denen, die schon lange gearbeitet haben, nicht den verdienten Ruhestand streitig zu machen“, sagte Scholz in einer Videobotschaft zum 1. Mai, dem Tag der Arbeit. „Und auch die Jüngeren, die am Anfang ihres Berufslebens stehen, haben das Recht zu wissen, wie lange sie arbeiten müssen.“
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) warnte zum Tag der Arbeit vor Sozialkürzungen. „Der 1. Mai ist der Tag der Solidarität - wir lassen uns nicht auseinandertreiben“, sagte der SPD-Politiker dem Berliner „Tagesspiegel“. „Gerade zum Tag der Arbeit kann man nicht genug betonen: Ich lasse es nicht zu, dass Arbeitnehmerrechte rasiert und der Sozialstaat geschleift werden!“
Zum Tag der Arbeit sind an diesem Mittwoch in ganz Deutschland Demonstrationen für bessere Arbeitsbedingungen geplant. Den Schwerpunkt der Veranstaltungen bildet eine zentrale Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Hannover (ab 11.00 Uhr), zu der neben DGB-Chefin Yasmin Fahimi auch Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) angekündigt ist.
Scholz betonte, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland noch nie so viele Stunden gearbeitet hätten wie im vorigen Jahr. „Deshalb ärgert es mich, wenn manche abschätzig vom „Freizeitpark Deutschland“ reden.“ Mit über 46 Millionen Frauen und Männer gebe es mehr Erwerbstätige in Deutschland als je zuvor.
In den kommenden Jahren würden aber noch mehr Arbeitskräfte gebraucht, sagte der Kanzler. „Deshalb sorgen wir auch dafür, dass diejenigen schneller in Arbeit kommen, die vor Russlands Krieg in der Ukraine zu uns geflohen sind.“ Denn Arbeit sei mehr als Geldverdienen. „Arbeit heißt auch: Dazugehören, Kolleginnen und Kollegen haben, Anerkennung und Wertschätzung erfahren.“
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger rief zum Tag der Arbeit dazu auf, wieder mehr zu arbeiten. „Wir brauchen mehr und nicht weniger Arbeit in Deutschland“, erklärte Dulger. „Deutschland diskutiert zu viel über die Bedingungen von Nicht-Arbeit - und zu wenig über den Wert von Arbeit“, beklagte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Im Mittelpunkt müsse die Frage stehen, wie der Standort Deutschland wieder attraktiv gemacht werden könne. „Dazu gehört auch: Wir werden alle mehr und länger arbeiten müssen“, machte Dulger deutlich. Dazu müssten die Rahmenbedingungen für Arbeit verbessert werden.
„Arbeit ist viel mehr als eine Notwendigkeit, dies muss am 1. Mai wieder stärker in den Fokus gerückt werden“ betonte der BDA-Chef und ergänzte: „Es gibt keinen anstrengungslosen Wohlstand. Und: Wertschöpfung entsteht in privaten Unternehmern.“
DGB-Chefin Yasmin Fahimi fordert die SPD zur Verteidigung der sozialpolitischen Errungenschaften in Deutschland auch gegenüber den Ampel-Partnern auf. „Es läuft gerade eine gefährliche Generaldebatte zum Sozialstaat an. Viele, die so gern über das Bürgergeld reden, wollen in Wahrheit den Sozialstaat diskreditieren und verhindern, dass über die wahren Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft gesprochen wird“, sagte Fahimi dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Die SPD müsse viel stärker und mit einfachen Worten sagen, wodurch sie sich eigentlich von den anderen Parteien unterscheidet.
Die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes warnte: „In der Krise graben einige, die nie ihren Frieden mit dem Sozialstaat gemacht haben, alte neoliberale Ideen aus. Von der SPD erwarte ich insofern, dass sie ihre Angebote für Wirtschafts- und Arbeitspolitik stärker herausarbeitet und nicht nur Abwehrkämpfe führt.“ Über manche Fragen werde kaum geredet. Etwa: „Was tragen Einkommensmillionäre eigentlich zum Gemeinwohl bei? Warum gilt für die Hälfte der Beschäftigten immer noch kein Tarifvertrag?“
„Es ist offenbar einfacher und manchmal auch gezielte Ablenkung, einen Konflikt in der Bevölkerung zu schüren, den es so gar nicht gibt: Du musst arbeiten gehen, während ein anderer von deinem Geld faul auf dem Sofa liegt“, sagte Fahimi. „Statt Bürgergeld- und Mindestlohnempfänger gegeneinander auszuspielen, sollten wir darauf schauen, mit welch absurd hohen Vermögen einige in Saus und Braus leben.“
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