Die Kassenärztliche Bundesvereinigung fordert von den Krankenkassen Strafzahlungen für Patienten, wenn diese unentschuldigt Termine nicht nutzen. „Es ist nicht nur ärgerlich, wenn Patienten Termine in Praxen buchen und diese einfach verstreichen lassen. Praxen können Termine ja nicht zweimal vergeben“, sagte der KBV-Vorsitzende Andreas Gassen der „Bild“. „Angemessen wäre eine von den Krankenkassen zu entrichtende Ausfallgebühr, wenn deren Versicherte Termine vereinbaren und dann unentschuldigt nicht wahrnehmen.“
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hält nichts von dem Vorstoß. „Die Ärzte haben recht, ausgefallene Termine müssen die medizinisch bedingte Ausnahme sein“, sagte Lauterbach zwar. „Geldstrafen sind aber der falsche Weg“, so der Minister. „Von mir ein klarer Appell an die Patienten: Lassen Sie keine Termine ausfallen, ohne dass Sie den Arzt ausreichend früh informiert haben.“
Zudem stellte er Verbesserungen in Aussicht: „Die Praxen sind überfüllt, insbesondere bei Hausärzten, weil das Honorarsystem so bürokratisch ist und es Budgets gibt“, sagte Lauterbach. „Beides schaffen wir mit dem Versorgungsstärkungsgesetz ab.“ Mit dem derzeit beratenen Gesetz soll es Entbudgetierung für die Hausarztpraxen geben, also sollen Budgetgrenzen entfallen. Zudem sollen unter anderem bestimmte Vergütungen auf Pauschalen umgestellt und Arzneimittelregresse reduziert werden, also Strafzahlungen, falls Ärztinnen und Ärzte zu viel verschreiben.
Der Zeitung zufolge gibt es erste Arztpraxen, die von Patientinnen und Patienten für unentschuldigtes Fehlen bereits 40 Euro Strafgebühr verlangen. Der KBV-Vorsitzende Gassen nahm die Ärztinnen und Ärzte in Schutz und betonte, die Termine seien geblockt und stünden dann für andere Patienten nicht zur Verfügung. Forderungen nach mehr und schnelleren Terminen nannte der KBV-Chef vor dem Hintergrund „lächerlich“.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz stellte sich strikt gegen Gassen. „Schon heute verlangen Praxen Strafgebühren für ausgefallene Termine“, sagte Vorstand Eugen Brysch der Deutschen Presse-Agentur. Er verwies auch darauf, dass Gassen seine Forderung schon einmal erhoben habe: „Wie im letzten Jahr erneut eine zweite Gebühr von den Versichertenbeiträgen zu fordern, ist Abzocke.“
Brysch: „Sollte das flächendeckend umgesetzt werden, müssen Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Für ärztlich abgesagte Termine sind Patienten und Krankenkassen dann Ausfallgebühren zu erstatten.“ Auch habe der Kassenärztechef vor seiner eigenen Tür zu kehren, forderte Brysch. „Denn eine systematische Überprüfung der Präsenzzeiten seiner Vertragspraxen gibt es nicht. Schließlich ist die mangelnde Erreichbarkeit für Patientinnen und Patienten das größte Problem.“ Brysch bezeichnete dies als „Massenphänomen“ - dies sei verantwortlich dafür, dass viele kranke Menschen Hilfe in den Notaufnahmen suchten.
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