Die große Party für den FC St. Pauli fiel aus - zumindest vorerst. Nach dem 0:1 im 111. Stadtderby musste die Mannschaft ihr natürliches Feten-Biotop rundum die Reeperbahn den Spielern und Fans des Hamburger SV überlassen.
Doch dass schon bald die Fußball-Gemeinde vom Kiez die Rückkehr in die Fußball-Bundesliga feiert, daran besteht auch nach dem Freitagabend bei noch zwei ausstehenden Spielen bei kaum jemandem Zweifel. „Diesen Moment können sie haben“, sagte St. Pauli-Stürmer Oladapo Afolayan mit Blick auf die feiernden Spieler und Fans des HSV. „Wir haben noch Größeres vor, auf das wir uns konzentrieren.“
Schon am kommenden Wochenende soll der Startschuss zum Aufstiegsrausch erfolgen. Nicht nur auf St. Pauli, sondern auch an der 100 Kilometer entfernten Kieler Förde. Die KSV Holstein eroberte durch das 1:0 (0:0) bei Abstiegskandidat SV Wehen Wiesbaden die Tabellenspitze vor dem FC St. Pauli zurück.
Gewinnen die Kieler am kommenden Samstag gegen Fortuna Düsseldorf, steigen sie erstmals und der Kiezclub aus Hamburg - quasi auf dem Sofa - gleichzeitig in die Bundesliga auf. Das Spiel des FC St. Pauli am Sonntag gegen den Tabellenletzten VfL Osnabrück wäre ohne Bedeutung und nur eine Zwischenstation auf dem Feiermarathon.
Die Düsseldorfer sind die einzige Mannschaft, die den beiden Nord-Mannschaften noch gefährlich werden kann. Bei noch zwei ausstehenden Spielen hat das aktuell formstärkste Team nach ihrem 3:1-Erfolg am Freitag gegen den 1. FC Nürnberg fünf Punkte Rückstand auf Holstein und vier auf den FC St. Pauli.Angesichts ihrer Erfolgsserie von zwölf Spielen ohne Niederlage geben sich die Rheinländer selbstbewusst und schielen noch auf einen der beiden direkten Aufstiegsplätze. „Da ist richtig viel drin“, sagte Fortunas Freitags-Doppeltorschütze Vincent Vermeij. „Ich merke bei jedem, dass der Fokus voll da ist. Zwei Siege werden für uns das beste Mittel sein, um unser Ziel zu erreichen.“
Sollte das nicht gelingen, hat die Mannschaft von Trainer Daniel Thioune zumindest die Chance, als Tabellendritter über den Umweg Relegation den Aufstieg noch zu schaffen. Darauf spekuliert auch der HSV noch - wenn auch bei vier Punkten weniger und der 13 Tore schlechteren Tordifferenz als die Düsseldorfer mit nur noch wenig Hoffnung. „Wir sollten da nicht zu sehr drauf schauen“, sagte Derby-Torschütze Robert Glatzel. „Wir haben es auch nicht mehr selbst in der Hand. Einfach die nächsten Spiele so angehen wie die letzten und dann gucken wir, was möglich ist.“ Die Hoffnung würde zuletzt sterben, „aber das sollte jetzt nicht unser Hauptfokus sein“.
Wichtig für den Hamburger SV und seine Fan-Gemeinde war allein der Derby-Sieg - zudem wurde das Schreckensszenario eines Aufstiegs des FC St. Pauli im HSV-Wohnzimmer Volksparkstadion verhindert, was den Sieg noch süßer machte. Auf die Hochstimmung reagierten Trainer Steffen Baumgart und Sportvorstand Jonas Boldt jeder auf seine Weise. Baumgart nahm sich nach dem verdienten Sieg gegen den ungeliebten Nachbarn seine Kritiker vor, Boldt machte in erster Linie Eigenwerbung.
„Ich habe den Job hier. Ich mache den gerne. Und alle anderen können mich mal da, wo ich noch schöner bin“, wütete der 52-jährige Baumgart wenige Minuten nach dem Schlusspfiff am Mikrofon des TV-Senders Sky. Er wisse, dass er ein guter Trainer sei, „egal ob man Erfolg hat oder nicht. Ich weiß, was ich kann. Da brauche ich keinen von außen.“
Seit der erneute Nicht-Aufstieg des einstigen Dauermitglieds wahrscheinlicher wird, finden sich der erst im Februar verpflichtete Baumgart und der seit fünf Jahren amtierende Sportvorstand Boldt inmitten von Spekulationen wieder. Jörg Schmadtke (60) und Felix Magath (70) werden als mögliche Boldt-Nachfolger öffentlich genannt oder bringen sich selbst ins Spiel. Magath hat laut „Bild“ im einstigen Weltstar Raúl gleich auch eine Trainer-Lösung parat.
„Wenn ich die letzten Wochen so sehe, die Unterstützung erfahre, mit den Menschen, mit denen ich arbeite, und im Umfeld, dann gibt es für die auch nur eine klare Meinung. Alles andere kann ich nicht beeinflussen“, sagte Boldt. Ein - wenn auch - schwacher HSV-Trost für die zum sechsten Mal verpasste Bundesliga-Rückkehr: Zumindest nächste Saison ist dem Club der inoffizielle Titel des Stadtmeisters vom FC St. Pauli nicht zu nehmen.
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