Die Bundesregierung hat den Weg für erdölfreien Biodiesel im Autotank nach langer Hängepartie freigemacht - heute ist der Bundesrat am Zug. Wenn auch die Bundesländer zustimmen, könnten Dieselfahrzeuge ab Mitte April klimafreundlichen Sprit aus Abfallstoffen tanken.
Im Moment erlaubt der Gesetzgeber in Deutschland im Diesel nur Biokraftstoff-Beimischungen von 7 Prozent. Laut Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) ist dieser B7 die gängige Dieselsorte an deutschen Tankstellen. Künftig sollen sie auch 100-prozentigen Biodiesel aus zertifizierten, nachhaltigen Rest- und Abfallstoffen verkaufen dürfen. Meist handelt es sich um alte Fette aus Großküchen, aber auch Holzreste, Zelluloseabfälle oder Fischreste. Das Kürzel HVO bedeutet Hydrotreated Vegetable Oils: Mit Wasserstoff behandelte Pflanzenöle.
In Deutschland sind laut Kraftfahrt-Bundesamt heute mehr als 14 Millionen Autos, Lastwagen und andere Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterwegs. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sagte: „Mit HVO100 können wir die CO2-Emissionen im Verkehr kurzfristig senken.“ Die Einsparung betrage bis zu 95 Prozent im Vergleich zu herkömmlichem Diesel.
Wie der Bundesverband freier Tankstellen (BfT) mitteilte, wird der Biodiesel heute ausschließlich im öffentlichen Nahverkehr, von Logistikbetreibern und in der Landwirtschaft verwendet; an Tankstellen ist er noch nicht frei verfügbar. Aber das Potenzial in der Speditions- und Logistikbranche sei groß: „Wir schätzen, dass 80 Prozent der HVO-Nutzung gewerblich sein wird.“
Laut VDB wird die globale HVO-Produktion bis 2025 voraussichtlich 30 Millionen Tonnen überschreiten. Der finnische HVO-Hersteller Neste rechnet damit, dass biogene Kraftstoffe bis 2040 etwa 1 Milliarde Tonne Rohöl ersetzen können, was etwa 40 Prozent des weltweiten Bedarfs im Transport ausmacht.
Ja, weil die Produktionskosten höher sind. Nach den Erfahrungen in anderen europäischen Ländern, in denen HVO schon längst getankt werden kann, ist er 15 bis 20 Cent pro Liter teurer als fossiler Diesel, wie der BfT mitteilte.
Der Bundesverband Energie-Mittelstand (Uniti), bei dem 40 Prozent der Straßentankstellen organisiert sind, erwartet, „dass in der ersten Anlaufphase HVO100 für Flottenbetreiber besonders interessant sein wird“: Sie können so CO2-Vorgaben auch mit bestehenden Fahrzeugen leichter erreichen. Wenn HVO-100-Diesel bei der Energiesteuer gegenüber fossilem Diesel entlastet würde, hülfe das der Wirtschaft und dem Klima zusätzlich.
„Moderne Dieselmotoren sind grundsätzlich dafür geeignet“, sagte Wissing. „Es bedarf keiner technischen Anpassungen oder Umrüstungen der Fahrzeuge oder des flächendeckenden Tankstellennetzes“, heißt es in einer Erklärung von ADAC, Uniti, Kfz-Gewerbe, Logistikverbänden und einigen Lkw-Herstellern.
Der ADAC weist allerdings darauf hin, dass die Freigabe von Kraftstoff für einen Motor grundsätzlich beim Fahrzeughersteller liege. „Aktuell liegen solche Freigaben nur für wenige Modelle der Marken Audi, BMW, Citroën/Peugeot/Opel, Nissan, Renault/Dacia, Seat/Cupra, Škoda, Toyota, Volvo und VW vor.“ Man brauche „dringend weitere umfassende Herstellerfreigaben für bisherige Pkw-Modelle“, damit HVO100 von den Verbrauchern angenommen werde.
Der neue Kraftstoff werde nicht an jeder Tankstelle verfügbar sein, „sondern nach und nach erst flächendeckend angeboten werden“, teilte der ADAC mit.
Uniti teilte mit, der Tankstellenmittelstand „steht in den Startlöchern“: Wenn der Bundesrat am Freitag zustimmt, könnte HVO100 am 13. April in den öffentlichen Verkauf gehen. Biogener HVO-Diesel und grünstrombasierter synthetischer E-Diesel werde an den Tankstellen mit dem Hinweis „XtL“ gekennzeichnet. „Wir gehen nicht davon aus, dass mit der Einführung von HVO100 andere Angebote entfallen.“
Dagegen hieß es vom BfT: „HVO wird bei Markteinführung an einigen wenigen Tankstellen zu tanken sein – aus Platzgründen und da auch eine technische Umstellung erfolgen muss.“ Der BfT würde es begrüßen, wenn Benzin E5 nicht mehr von den Tankstellen vorgehalten werden müsse: „Damit wäre der Platz frei für HVO.“
Laut Bundesverkehrsministerium kann man den Biosprit in den Niederlanden, Schweden, Litauen und vielen anderen Ländern bereits tanken. Laut Uniti ist HVO100 bereits an über 600 Tankstellen in Europa frei erhältlich.
In den meisten EU-Staaten und in den USA sei der Verkauf erlaubt. Da bei Ausschreibungen von internationalen Logistikaufträgen vermehrt strenge CO2-Anforderungen gelten, sei das Verbot in Deutschland ein Wettbewerbsnachteil für deutsche Anbieter gewesen.
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