Der europäische Außenbeauftragte Josep Borrell hat sich besorgt über die möglichen Auswirkungen des neuen Hongkonger Sicherheitsgesetzes auf die Rechte und Freiheiten der Menschen in der chinesischen Sonderverwaltungsregion geäußert. Nach der Annahme des umstrittenen Gesetzes durch den Peking-treuen Legislativrat in Hongkong hieß es in einer Stellungnahme Borrells in Brüssel, es könne „die Aushöhlung der Grundfreiheiten und des politischen Pluralismus verschärfen“.
Das Gesetz könne die Arbeit der EU-Vertretung und der Generalkonsulate der EU-Staaten in Hongkong „erheblich beeinträchtigen“ und sich auf europäische Bürger, Organisationen und Unternehmen in der asiatischen Metropole auswirken. „Das wirft auch Fragen über die langfristige Attraktivität Hongkongs als internationales Wirtschaftszentrum auf“, fand der EU-Außenbeauftragte. „Besonders besorgniserregend“ scheinen nach seiner Einschätzung die umfassenden Bestimmungen und vagen Definitionen zu sein, die sich auf „ausländische Einmischung und Staatsgeheimnisse“ beziehen.
Mit dem Gesetz erhalten die Behörden der einstigen britischen Kronkolonie unter anderem weitere Machtbefugnisse, um gegen kritische Stimmen vorzugehen. Es knüpft an das 2020 nach der Niederschlagung der Demokratiebewegung in Hongkong eingeführte Sicherheitsgesetz an, mit dem Peking seinen Griff über die eigentlich autonom verwaltete Sonderverwaltungsregion verstärkte und viele bis dahin genossene Freiheiten der sieben Millionen Hongkonger bereits einschränkte.
Menschenrechtsorganisationen übten scharfe Kritik. Das neue Gesetz läute in Hongkong „eine neue Ära des Autoritarismus“ ein, schrieb Maya Wang von Human Rights Watch auf der Plattform X (vormals Twitter). „Jetzt kann sogar der Besitz eines kritischen Buches über die chinesische Regierung die nationale Sicherheit verletzen und in Hongkong zu jahrelangen Gefängnisstrafen führen.“ Hongkongs Regierung solle ihren „aggressiven Angriff auf Grundrechte“ beenden. Ausländische Regierungen sollten Peking mit gezielten Sanktionen gegen Hongkonger Beamte zur Verantwortung ziehen.
Das Auswärtige Amt äußerte sich ähnlich wie Borrell ebenfalls besorgt über die Folgen für die Freiheitsrechte der Menschen vor Ort. „Es besteht die Gefahr, dass die Beschneidung von Pluralismus, Meinungs- und Pressefreiheit in Hongkong jetzt noch weiter voranschreitet auf Grundlage dieses Gesetzes“, erklärte am Mittwoch ein Sprecher des Ministeriums in Berlin. Insbesondere das erhöhte Strafmaß für unklare Rechtsbegriffe wie „Aufruhr“, die Anwendbarkeit des Gesetzes außerhalb des Territoriums und die zum Teil rückwirkenden Auswirkungen der Bestimmungen seien „sehr besorgniserregend“, führte er weiter aus.
Der Sprecher erklärte, dass das Auswärtige Amt auch darauf achten werde, inwiefern sich Auswirkungen auf die Arbeit der deutschen Auslandsvertretungen, von EU-Bürgern sowie europäischen Unternehmen und Organisationen aus der neuen Gesetzgebung ergeben könnten. Auswirkungen negativer Art seien „nicht ausgeschlossen“, hieß es.
Der britische Außenminister David Cameron sagte, das neue Gesetz untergrabe die Erfüllung völkerrechtlich bindender Verpflichtungen wie der Gemeinsamen Erklärung zwischen Großbritannien und China über die Rückgabe der Kronkolonie 1997 und der UN-Konvention über die bürgerlichen und politischen Rechte. „Die weit gefassten Definitionen von nationaler Sicherheit und Einmischung von außen werden es für jene schwieriger machen, die in Hongkong leben, arbeiten und Geschäfte machen“, sagte Cameron. „Es wird die Kultur der Selbstzensur verfestigen, die heute die soziale und politische Landschaft Hongkongs beherrscht.“ Auch werde es die weitere Untergrabung der Meinungs-, Versammlungs- und Medienfreiheit ermöglichen.
US-Außenamtssprecher Vedant Patel sagte zudem, diese Art von Maßnahmen hätten das „Potenzial, die Schließung der einst offenen Gesellschaft Hongkongs zu beschleunigen“. Man sei beunruhigt über die weitreichenden und „vage“ definierten Bestimmungen des Gesetzes.
Die chinesische Regierung hat die Kritik entschieden zurückgewiesen. China bringe nachdrücklich seinen Unmut über die Diffamierung der Hongkonger Sicherheitsregelungen durch einzelne Länder und Institutionen zum Ausdruck, sagte Außenamtssprecher Lin Jian in Peking.
Das Gesetz habe die Bedeutung eines Meilensteins in der Entwicklung des Prinzips ein Land, zwei Systeme. Jeder Versuch, die Vorschriften zur Gewährleistung der nationalen Sicherheit in Verruf zu bringen, sei zum Scheitern verurteilt, sagte er.
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