Er ist vermutlich Deutschlands bekanntester Mönch: Anselm Grün. Der Benediktiner-Pater, der in der Abtei Münsterschwarzach in Unterfranken lebt, erreicht Millionen Menschen auf der ganzen Welt mit Büchern über Themen wie Glück, Achtsamkeit, Selbsterkenntnis und Selbstfürsorge.
Grüns Markenzeichen ist es, psychotherapeutische Ansätze, vor allem aus der Tiefenpsychologie Carl Gustav Jungs, in die Auslegung biblischer Texte einzubauen. Dadurch haben seine Bücher einen für viele Menschen lebensnahen Ratgebercharakter - auch wenn Grün sich selbst nicht als Ratgeber bezeichnen mag.
Am heutigen Dienstag (14.1.) wird Anselm Grün 80 Jahre alt. An Rückzug aus dem öffentlichen Leben denkt er aber noch lange nicht. Gerade arbeitet er an einem Buch über Hoffnung.
„Hoffnung heißt nicht, die Augen verschließen vor dem, was ist, sondern daran glauben, dass eine Krise ein Aufbruch sein kann“, sagt der Pater der Deutschen Presse-Agentur. Wer Anselm Grün sprechen hört, spürt die Hoffnung. Grün strahlt gleichzeitig Ruhe, Besonnenheit, Nächstenliebe, Freundlichkeit und Tatkraft aus. Er spricht mit klaren und nahbaren Worten. Er lächelt viel.
Und Grün geht mit der Zeit. Auch auf Social Media ist er aktiv. Auf Facebook und auf Youtube teilt er Impulse und Auszüge aus Predigten. Bei Instagram folgen ihm 76.000 Menschen. Dort postet er täglich „Momente des Glücks. Weisheiten für jeden Tag“. Zu dem Account hat ihn seine Nichte motiviert, erzählt er.
Als ihm auf dem Abteigelände in Schwarzach am Main (Landkreis Kitzingen) eine Gruppe Schulkinder begegnet, die mit einem Tablet ein Selfie mit einem Mönch machen soll, ist Grün sofort bereit dazu.
Doch Grün sieht auch die dunklen Seiten von Social Media. Dort werde vieles sofort angegriffen und kritisiert. „Dabei sollten wir erstmal hinhören. Nur wenn ich verstehe, kann ich mich verständigen“, meint Grün. Das sagt er auch mit Blick auf harsche Kritik an Menschen, die Verantwortung im Staat übernähmen.
Grün wirbt immer wieder dafür, nicht zu bewerten, sondern ins Gespräch zu gehen. Ziel des geistigen Weges sei es, ein weites Herz zu haben, das nicht ständig urteilt, meint Grün. „Ein Herz, das zwar Konturen hat, aber offen ist.“
Dass die öffentliche Bedeutung der Kirche nachgelassen hat, ist für Grün kein Grund zum Aufgeben. Auch hier überwiegt die Hoffnung. Die Sehnsucht nach kirchlichen Themen sei noch da, meint der Pater.
„Die Kirche hat in der Vergangenheit leider viel moralisiert und Menschen gesagt, was sie tun sollen. Für mich ist die wichtigste Botschaft der Kirche, dass sie Menschen helfen kann, zu entdecken, wer sie sind“, sagt Grün. Daher versuche er immer, die Weisheit der Kirche so zu deuten, dass sie heilsam für den Menschen sei. Dabei wünscht er sich, dass Menschen frei werden von den Erwartungen anderer und erkennen, wofür sie selbst brennen, was ihre Leidenschaft ist.
Diesen speziellen Ansatz, Psychologie und Theologie zu verknüpfen, hat Grün schon früh entwickelt, begonnen Ende der 60er Jahre. Beeinflusst wurde er nach eigenen Angaben vor allem von den Lehren des Psychologen und Zen-Buddhisten Karlfried Graf Dürckheim.
Die Ideen für seine Bücher bekommt Grün vor allem in der inneren Einkehr und in Gesprächen, berichtet er. „Meine Bücher sind immer Versuche, den Menschen, mit denen ich gesprochen habe, eine Antwort zu geben.“
Der Pater hält auch Vorträge und Workshops. „Interessant ist, dass viele Ministerien aus Berlin kommen“, erzählt er. Vergangenes Jahr seien auch Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes da gewesen. Die Führungskräfte wollten erfahren, wie sie gut für sich selbst sorgen, gut mit anderen Menschen umgehen und ihren eigenen Führungsstil entwickeln können.
Grüns eigener Weg ging relativ zielstrebig zur geistlichen Laufbahn. Geboren wurde er am 14. Januar 1945 im unterfränkischen Junkershausen (Landkreis Rhön-Grabfeld) als Wilhelm Grün. Seine Kindheit verbrachte er in der Nähe von München. Grün wuchs mit drei älteren und drei jüngeren Geschwistern auf. Seine Eltern hatten ein Elektrofachgeschäft. Als Kind wollte Grün angesichts der Zerstörungen des Krieges nach eigenen Angaben zunächst Maurer werden. Doch der Wunsch änderte sich mit der Erstkommunion.
Ins Benediktinerkloster Münsterschwarzach kam Grün über einen Onkel väterlicherseits, der bereits dort lebte. Grün besuchte zunächst das Internat. Nach seinem Abitur 1964 trat er in die Abtei der Missionsbenediktiner ein und erhielt den Ordensnamen „Anselm“ - in Anlehnung an den heiligen Anselm von Canterbury. Grün studierte Theologie und Betriebswirtschaftslehre, um sich auf seine anschließende langjährige Tätigkeit als wirtschaftlicher Leiter der Abtei vorzubereiten.
„Als junger Mensch hatte ich manchmal Angst, dass mir die Abtei zu eng werden würde“, erzählt Grün. Doch die Angst sei unbegründet gewesen. Inzwischen habe er mehr von der Welt gesehen als die meisten Menschen. Reisen für Lesungen und Vorträge führten ihn unter anderem nach Brasilien, Peru, Malaysia, Korea und Taiwan.
Nach eigenen Angaben hat Grün inzwischen über 20 Millionen Bücher verkauft. Übersetzt in 35 Sprachen sind viele seiner Werke Bestseller. Nicht nur gläubige Christen lesen sie. Wie viele Bücher er noch schreiben wird, mag Grün nicht sagen. „Ich habe mir dafür mein Leben lang keine Ziele gesetzt.“
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