Ein unter der Flagge Panamas fahrender Öltanker ist mehrere Stunden manövrierunfähig vor Rügen in der Ostsee getrieben - deutsche Einsatzkräfte sicherten am Nachmittag das Schiff. Die mit 99.000 Tonnen Öl beladene „Eventin“ wurde vom Notfallschlepper „Bremen Fighter“ an den Haken genommen und soll in einen Hafen geschleppt werden - wohin, war zunächst unklar. Zudem sollen weitere Schlepper unterwegs und ein Sensorflugzeug im Einsatz sein. Eine Gefahr für die Umwelt bestand nicht.
Zu dem 274 Meter langen und 48 Meter breiten Schiff sei auf hoher See eine Schleppverbindung hergestellt worden, teilte das Havariekommando mit. Das Kommando war nach eigenen Angaben am Mittag alarmiert worden. Laut Umweltorganisation Greenpeace zählt das 2006 gebaute Schiff zur sogenannten russischen Schattenflotte.
Mit solchen Schiffen wird russisches Öl exportiert. Laut einer Resolution der UN-Schifffahrtsorganisation IMO gehören unter anderem Schiffe einer „Schattenflotte“ an, die eingesetzt werden, um Sanktionen zu umgehen.
Grund für den Zwischenfall nördlich von Rügen war den Angaben zufolge ein Maschinenausfall. Weshalb es dazu kam, sei noch unklar, hieß es am Nachmittag. Eine Gefahr für die Umwelt bestehe nicht. Das Schiff sei dicht, sagte eine Sprecherin. Auch für die Besatzung des Tankers besteht demnach keine Gefahr. Die 24 Seeleute seien an Bord und blieben auch da, eine Evakuierung sei nicht nötig.
Nach Angaben des Tracking-Dienstes Vesselfinder war der Tanker auf dem Weg von Ust-Luga (Russland) nach Port Said (Ägypten). Das Havariekommando sprach von mäßigem bis frischen Wind. Die Behörden schickten das Mehrzweckschiff „Arkona“ der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes sowie den Notschlepper „Bremen Fighter“ zu dem Havaristen.
Die Ostsee gehört zu den am meisten befahrenen Meeren der Welt. Täglich sind auf dem Binnenmeer mehr als 2.000 Schiffe unterwegs, wie das Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) mitteilte.
Erst Mitte Oktober hatte es einen Zwischenfall mit einem Tanker vor Mecklenburg-Vorpommerns Küste gegeben. Das kleine Öltankschiff „Annika“ brannte auf der Ostsee in Sichtweite der Küste. Das Schiff war auf dem Weg von Rostock nach Travemünde, als am 11. Oktober rund 4,5 Kilometer vor dem Ostseebad Heiligendamm an Bord Feuer ausbrach. Nach ersten Löscharbeiten auf See war das 73 Meter lange und 12 Meter breite Schiff von Schleppern in den Rostocker Überseehafen bugsiert worden. Öl trat bei dem Zwischenfall nicht aus.
Nach dem Vorfall kamen Reaktionen auch aus dem Ausland. Litauens Außenminister Kestutis Budrys sprach sich für ein entschiedeneres Vorgehen und weitere Maßnahmen gegen Russlands Schattenflotte aus. „Die Ostsee ist das wichtigste Tor für Russlands Ölexporte, und das müssen wir unterbinden“, sagte er bei einem Besuch in der estnischen Hauptstadt Tallinn. Zugleich sei die Schattenflotte ein „Instrument in den Hybridaktivitäten“ und stelle eine Bedrohung für die Umwelt dar.
Die Umweltorganisation Greenpeace hat nach der Havarie des Öltankers „Eventin“ vor den Gefahren der russischen Schattenflotte gewarnt. „Die Eventin ist nur das jüngste Beispiel dafür, wie die Schiffe der russischen Schattenflotte tagtäglich die Ostseeküste bedrohen“, sagte Greenpeace-Meeresbiologe Thilo Maack. „Jeden Tag fahren schrottreife Tanker von den russischen Ölhäfen Primorsk und Ust-Luga Richtung Südwesten.“
Das jüngste Sanktionspaket der EU sei zwar ein wichtiger Schritt, reiche aber längst nicht, um die Ostsee zu schützen. „Wir fordern die EU auf, auf Basis der Greenpeace-Liste der gefährlichsten Öltanker weitere, dringend notwendige Sanktionen zu beschließen“, so Maack. „Ein Ölunfall in der Ostsee wäre eine Katastrophe für die hier lebenden Meeressäuger, Seevögel sowie weitere Arten und würde ihren Lebensraum stark gefährden.“
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