Undichte Stellen in Pipelines und lockere Dichtungen lassen Experten zufolge tonnenweise gefährliches Methangas in die Atmosphäre entweichen. Das trägt zum Klimawandel bei. Wie der Ausstoß ohne große Investitionen schnell verringert werden kann, ist diese Woche Thema beim globalen Methangas-Forum in Genf. „Wir reden von Methan-Lecks, ein Riesenproblem“, sagte Dario Liguti, bei der UN-Wirtschaftskommission für Europa (Unece) Direktor für nachhaltige Energie, der Deutschen Presse-Agentur. Die Unece ist Gastgeber des Forums.
Rund 1000 Vertreterinnen und Vertreter von Industrie, Wissenschaft und Regierungen aus mehr als 100 Ländern wollen gemeinsam Druck machen, damit angekündigte Vorhaben zur Lösung des Problems endlich umgesetzt werden. Unece biete Expertise an, zum Beispiel dazu, wie Lecks entdeckt und repariert werden können, sagte Liguti.
Methan ist nach Kohlendioxid (CO2) das zweitwichtigste Treibhausgas, seit Beginn der industriellen Revolution hat es nach Schätzungen zu etwa 30 Prozent zur Klimaerwärmung beigetragen. Es ist ein sehr wirksames Treibhausgas: Auf 20 Jahre gerechnet ist es rund 85 Mal so klimawirksam wie CO2. Etwa 60 Prozent des Methans in der Atmosphäre gehen auf menschlichen Einfluss zurück. Etwa 40 Prozent dieser Emissionen entstehen der Internationalen Energieagentur (IEA) zufolge in der Energiewirtschaft.
Während CO2 aber hunderte oder mehr Jahre in der Atmosphäre bleibt, baut sich Methan nach etwa zwölf Jahren langsam ab. Wenn der Ausstoß verringert wird, wäre der Beitrag zur Eindämmung der klimaschädlichen Treibhausgase schnell deutlich spürbar. Das könnte laut Experten ein wichtiger Beitrag zur Einhaltung des Ziels sein, die Erwärmung möglichst unter 1,5 Grad über vorindustriellem Niveau zu halten.
Methan entsteht unter anderem in der Öl-, Gas- und Kohleindustrie. „Rund 75 Prozent dieser Emissionen könnten mit wenig oder gar keinen Kosten gestoppt werden, weil sie zum Beispiel durch Pipeline-Lecks oder zu lockere Dichtungen entstehen“, sagte Liguti. Das sei zum einen im Interesse der Firmen selbst. „Sie verlieren Einkommen, denn das Methan könnte ja genutzt werden.“ Zudem sei es ein wichtiger Beitrag dazu, die Klimabilanz des jeweiligen Landes zu verbessern.
Liguti verwies auf immer bessere Satellitenbilder, die Methan-Lecks abbilden könnten. Er erwartet in Kürze neue Auswertungen, auf denen sicher einige Dutzend „Superemittenten” - Akteure, die besonders viel Methan ausstoßen - identifiziert werden könnten.
Erst kürzlich hatte eine Studie für Förderregionen in den USA ergeben, dass im Zuge der Öl- und Gasförderung wesentlich größere Methan-Mengen austreten als bisher angenommen. Fast drei Prozent des geförderten Methans entwichen ungenutzt in die Atmosphäre - dreimal mehr als die US-Regierung derzeit berücksichtige, berichtete ein Forschungsteam im Fachjournal „Nature“.
Die größten Methan-Mengen werden Experten zufolge derzeit in China freigesetzt, vor allem durch die Kohleindustrie. Im Zusammenhang mit Emissionen aus der Öl- und Gasindustrie stehen die USA an der Spitze, gefolgt von Russland. Europa sei von Methan-Emissionen weniger betroffen als andere Regionen, hier spiele vor allem die Kohleindustrie eine Rolle, hieß es. „Es ist schade, dass Deutschland wieder zur Kohle zurückgekehrt ist, um Wärme und Strom zu produzieren“, sagte Liguti. Europa sei sich des Problems aber bewusst und habe klare Richtlinien für die Energiewende.
Rund ein Drittel der Methan-Emissionen weltweit stammen aus der Viehhaltung. Nach Angaben des Bundesumweltamtes ist die effizienteste Maßnahme zur Reduzierung des Ausstoßes in Deutschland, weniger Fleisch zu essen, damit weniger Kühe gehalten werden. Kühe produzieren Methan bei der Verdauung des Futters, es gelangt beim Wiederkäuen über Rülpser in die Atmosphäre.
Auf Initiative der EU und der USA hatten zahlreiche Länder auf der Klimakonferenz von Glasgow 2021 beschlossen, den Ausstoß an Methan von 2020 bis 2030 um 30 Prozent zu reduzieren. Das Vorhaben - Global Methane Pledge (GMP) genannt - soll die Erderwärmung bis 2050 um mindestens 0,2 Grad vermindern.
Dabei gebe es aber keine verpflichtende Berichterstattung Öl und Gas produzierender Unternehmen zu den Methan-Emissionen, hatte Lena Höglund-Isaksson vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg (Österreich) kürzlich erläutert. Nur die Regierungen und die Europäische Union hätten die rechtliche Befugnis, Unternehmen zur Messung und Meldung von Emissionen zu zwingen - und sollten solche rechtsverbindlichen Vorschriften dringlichst einführen.
Die Kosten für das Abdichten von Lecks seien nicht hoch und würden in vielen Fällen durch die höheren Einnahmen aus dem Verkauf des nun zurückbehaltenen Gases gedeckt, hatte die IIASA-Expertin auch erläutert. „Dennoch sind die meisten Öl- und Gasunternehmen nicht daran interessiert, dies zu tun.“
Grund sei, dass sie vor allem dort investieren, wo sie die höchste Rendite erzielen können. „Da die Gewinnspannen bei der Öl- und Gasförderung sehr hoch sind, übertrumpft eine Investition in die Produktionssteigerung fast immer den relativ geringeren Gewinn aus der Kontrolle von Methan-Leckagen, insbesondere in Zeiten, in denen die Weltmarktpreise für Öl und Gas hoch sind - wie aktuell.“ Es sei daher nicht davon auszugehen, dass die Industrie ihre Emissionen ohne spezielle Vorschriften freiwillig senken werde.
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