Aus dem kurzen Flirt für einen heißen EM-Sommer wird endgültig eine intensive Fußball-Liebe. Pünktlich zur großen Party zum 125. Geburtstag hat Julian Nagelsmann mit seiner Vertragsverlängerung dem Deutschen Fußball-Bund ein riesiges Geschenk gemacht. Der Bundestrainer bleibt über die WM 2026 im Amt. Er will bei der folgenden EM 2028 einen zusätzlichen Titelanlauf mit der deutschen Nationalmannschaft starten.
„Ich hätte mir im September 2023, als ich zum DFB gekommen bin, nicht vorstellen können, über die Heim-EM hinaus Bundestrainer zu sein. Unser großes Ziel war ein erfolgreiches Turnier“, erinnerte der 37-Jährige an die Abtastphase vor knapp eineinhalb Jahren. In gut 16 Monaten ist aus dem Testlauf aber eine gegenseitige Leidenschaft erwachsen.
„Ich habe mir damals aber auch nicht vorstellen können, was die Nationalmannschaft den Menschen in Deutschland bedeutet. Wie viele Herzen sie erreicht und bewegt. Dieses großartige Feedback, das wir alle, nicht nur ich, jeden Tag bekommen, zeigt uns, dass unser gemeinsamer Weg richtig ist“, sagte Nagelsmann.
An den Zielsetzungen mit dem großen Hunger nach Trophäen ließ der einstige Bayern-, Leipzig- und Hoffenheim-Coach keine Zweifel aufkommen. Der Weg sei noch nicht zu Ende. „Wir haben alle zusammen - Fans, Mannschaft und Trainerteam - etwas geschaffen, das wir jetzt erfolgreich weiterentwickeln wollen. Wir wollen zusammen Titel gewinnen“, kündigte Nagelsmann an.
Bestmöglich: 2026 vor den Toren von New York den WM-Pokal und 2028 im Fußball-Mekka Wembley den EM-Pott in den Händen halten. Nagelsmann liebt hohe Messlatten. Ob Assistent Sandro Wagner an seiner Seite bleibt, ist derweil noch unsicher. Der einstige Nationalstürmer wird immer wieder bei Bundesliga-Clubs als Chefcoach gehandelt und hat sich bislang nur bis 2026 gebunden.
Ein besseres Timing hätte es für den DFB und seinen Präsidenten Bernd Neuendorf jedenfalls nicht geben können. Am Freitag, wenige Stunden nach der Verkündung, empfing der Verbandsboss in der Kongresshalle am Zoo in Leipzig die große nationale und internationale Fußball-Prominenz zum Festakt anlässlich des 125. Verbands-Geburtstages.
FIFA-Boss Gianni Infantino, UEFA-Chef Aleksandar Ceferin, Ehrenspielführer wie Lothar Matthäus, Jürgen Klinsmann oder Philipp Lahm - alle können eines sehen: Der DFB kann nach Jahren der Krise mit und auch dank Nagelsmann und dessen Arbeit mit dem Nationalteam wieder für positive Schlagzeilen sorgen.
„Die Vertragsverlängerung von Julian Nagelsmann ist gerade angesichts unseres 125-jährigen Verbandsjubiläums ein ganz bedeutendes Signal. Es belegt, dass wir uns nicht auf den Erfolgen der Vergangenheit ausruhen, sondern vielmehr an neuen arbeiten“, äußerte DFB-Präsident Neuendorf.
Sportdirektor Rudi Völler (64), für den Stand jetzt nach der WM in eineinhalb Jahren in den USA, Mexiko und Kanada die DFB-Zeit endet, hob die besonderen Motivationskünste Nagelsmanns hervor. „Auch die Spieler und der gesamte DFB-Stab wurden von Julian in den zurückliegenden 16 Monaten durch seine mitreißende Art für die gemeinsamen Ziele begeistert. Er hat während dieser Zeit eine enge Beziehung zu den Fans, den Spielern und dem Team hinter dem Team aufgebaut und wieder eine Einheit geformt.“
Die frohe Kunde wurde schon vor der Leipziger Zoo-Gala im Bundesliga-Orbit euphorisch aufgenommen. „Das ist überragend für den deutschen Fußball. Die Richtung, die da eingeschlagen wurde, ist top. Wir hoffen natürlich alle, dass das transportiert werden kann bis zur WM, dass wir da eine gute Rolle spielen“, sagte Stuttgarts Trainer Sebastian Hoeneß.
Die Nagelsmann-Bilanz ist verheißungsvoll: Elf Siege, fünf Remis und drei Niederlagen bei 42:18 Toren in 19 Länderspielen. Auch bei der EM war Spanien im Viertelfinale nicht fundamental besser, sondern nur glücklicher.
Den großen Aufwärtstrend nach drei Turnier-Desastern muss Nagelsmann nun im Zwischenjahr 2025 bestätigen. Im März steht das Viertelfinale in der Nations League mit dem Doppel-Kracher gegen Italien am 20. März in Mailand und drei Tage später in Dortmund an.
Zieht Deutschland in die Endrunde ein, kann im Juni in München ein erster kleiner Titel in dem UEFA-Wettbewerb perfekt gemacht werden. Danach soll im Herbst das WM-Ticket in einer kurzen Qualirunde gebucht werden.
Das große Ziel von Nagelsmann ist der fünfte WM-Titel. Das hatte er gleich nach dem bitteren EM-Aus gegen die Spanier unter Tränen versichert. Da war schon klar, dass das mit Zweifeln belegte Projekt als Bundestrainer und Nachfolger des glücklosen Hansi Flick für den leidenschaftlichen Vereinscoach Nagelsmann zu einer Herzenssache geworden war.
Die frühen Rückschläge im November 2023 mit den Niederlagen gegen die Türkei (2:3) und in Österreich (0:2) waren letztlich der Moment, der Nagelsmann Antrieb und Argumente für den grundlegenden Mentalitätswandel bei der Nationalmannschaft gab. 2024 wurde zum großen Wendejahr mit der Niederlage gegen Spanien als einzigem traurigem Makel. Nun hat Nagelsmann mindestens zwei weitere große Titelversuche vor sich.
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