Dieses Grinsen hat der Formel 1 gefehlt. Immer wieder knipst Daniel Ricciardo es an und zeigt auf dem Hungaroring seine breite Zahnreihe. Die fast kindliche Vorfreude des 34-Jährigen auf sein unverhofft schnelles Comeback im Cockpit steckt im Fahrerlager von Budapest selbst den größten Griesgram an. „Ich habe mich wieder neu ins Rennfahren verliebt“, sagt der Australier.
Nach einem halben Jahr Auszeit übernimmt Sebastian Vettels Ex-Teamkollege bei Alpha Tauri den Platz des geschassten Nyck De Vries. Die knallharte Entscheidung der Red-Bull-Spitze, dem Niederländer beim Schwesterteam nach nur zehn Rennen unsanft den Laufpass zu geben, hat so manchen Fahrerkollegen betroffen gemacht.
„So arbeiten sie bei Red Bull“, knurrt Rekordweltmeister Lewis Hamilton vom Rivalen Mercedes. Auch Ricciardo beteuert, er fühle mit seinem Vorgänger bei Alpha Tauri: „Aber er ist erwachsen genug zu verstehen, wie dieser Sport läuft.“ Null Punkte hat der frühere Formel-E-Weltmeister De Vries eingefahren.
Auch sonst blieb der 28-Jährige meist blass. Ricciardo umringen dagegen rund 60 Journalisten bei seiner ersten Medien-Audienz auf dem Hungaroring. Die Formel 1 feiert die Rückkehr des achtmaligen Grand-Prix-Siegers auf all ihren Kanälen mit immer neuen Bildern und Videos. „Es ging alles so schnell. Ich bin einfach froh über diese Chance“, sagt Ricciardo vor dem Grand Prix in Ungarn am Sonntag (15.00 Uhr/Sky und kostenfrei bei skysport.de).
Spätestens sein Auftritt beim Reifentest in Silverstone im aktuellen Red Bull überzeugte die Verantwortlichen vom Blitzwechsel. Dem Vernehmen nach hätte Ricciardos beste Rundenzeit für einen Platz in der ersten Startreihe beim vorangegangenen Grand Prix von Großbritannien gereicht. „Seine Augen begannen zu leuchten. Eine Riesenlast fiel von seinen Schultern. Der alte Daniel ist zurück“, sagt Red-Bull-Teamchef Christian Horner.
Noch im Vorjahr sah es danach aus, als hätte Ricciardo seine Karriere in die Sackgasse manövriert. Nach seinen erfolgreichen Jahren bei Red Bull lief es bei Renault und McLaren meist ziemlich mäßig. Die Freude am Fahren ging dem Mann mit dem Spitznamen „Honigdachs“ verloren. „Manchmal ist man sein eigener schlimmster Feind“, sagt Ricciardo.
McLaren setzte ihn am Ende der Vorsaison vor die Tür. Aus alter Verbundenheit gab Red Bull ihm die Rolle des Test- und Ersatzfahrers. „Es macht viel Spaß, zurück in der Red-Bull-Familie zu sein. Und es hat mir die Zeit gegeben, die ich wirklich gebraucht habe“, sagt Ricciardo.
Zur Entschleunigung mit mehr Freizeit gehörte für ihn auch der Junggesellenabschied eines Freundes in Las Vegas, wie er kichernd verrät. Jetzt aber will er noch einmal voll angreifen. Alpha Tauri war unter dem alten Namen Toro Rosso sein Sprungbrett zur großen Karriere. Nun will sich Ricciardo dort noch einmal für den Aufstieg in den Red Bull empfehlen. „Das ist für mich im Moment der beste Weg“, sagt er.
Ricciardo spekuliert auf den Platz von Sergio Perez (33), der auch in dieser Saison nach gutem Start völlig chancenlos gegen Red-Bull-Überflieger Max Verstappen ist und als WM-Zweiter schon 99 Punkte Rückstand hat. Ende 2024 läuft der Vertrag von Perez aus, aber den vorzeitigen Rauswurf von De Vries dürfte auch der Mexikaner als Warnung verstehen.
Die Sympathien von Chefpilot Verstappen sind seinem früheren Stallkollegen Ricciardo sicher. „Es ist schön, dass Daniel wieder in der Familie ist. Ich wollte ja nie, dass er weggeht“, sagt der WM-Spitzenreiter. Durchaus möglich, dass sich auch dieser Kreis bald für Daniel Ricciardo schließt.
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