Mitten im sich zuspitzenden Konflikt zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah-Miliz gibt es neue Hoffnung auf eine Waffenruhe im Gaza-Krieg. Man habe einen „Durchbruch“ an einem Punkt erzielt, an dem die Verhandlungen bislang in der Sackgasse steckten, sagte ein US-Regierungsvertreter. „Was wir von der Hamas zurückbekommen haben, war eine ziemlich deutliche Anpassung ihrer Position, und das finden wir ermutigend.“ Die Islamistenorganisation hatte den Vermittlern USA, Katar und Ägypten am Mittwoch einen Vorschlag übermittelt, der nach eigener Darstellung einige Ideen enthält.
Die Hamas fordere nun nicht länger einen vollständigen Rückzug der israelischen Truppen während der ersten Phase eines von US-Präsident Joe Biden im Mai präsentierten dreistufigen Plans, berichtete das „Wall Street Journal“ unter Berufung auf einen israelischen Regierungsbeamten. Die erste Phase sieht die Freilassung einiger Geiseln während einer sechswöchigen Waffenruhe vor.
Der Beamte betonte gegenüber der Zeitung, die indirekten Verhandlungen seien aber weiter schwierig. Das US-Nachrichtenportal „Axios“ zitierte einen israelischen Beamten, demzufolge bis zu einem möglichen Deal zwei bis drei Wochen vergehen könnten.
„Wir erwarten, dass diese Vereinbarung zu einem dauerhaften Waffenstillstand führt“, sagte der US-Regierungsvertreter. Laut israelischen Medien sollen die indirekten Verhandlungen heute in Doha weitergehen. Am Vorabend habe Israels Sicherheitskabinett über das Mandat für die eigene Delegation unter Leitung des Chefs des Auslandsgeheimdienstes Mossad, David Barnea beraten. US-Präsident Biden begrüßte die vom israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu genehmigte Entsendung eines Verhandlungsteams.
Der wichtigste Punkt sei, dass die Antwort der Hamas „Flexibilität“ beinhalte, die es beiden Seiten erlaube, in die erste Phase des Abkommens einzutreten - auch mit dem Risiko, dass die nächste Phase nicht zustande kommt, zitierte „Axios“ israelische Beamte. Laut dem Plan sieht die zweite Etappe die dauerhafte Einstellung der Kämpfe und die Freilassung der restlichen Geiseln vor. In dem abgeriegelten Küstenstreifen werden noch 120 Geiseln vermutet, viele von ihnen dürften aber nicht mehr am Leben sein.
Netanjahu bekräftigte im Telefonat mit Biden, der Krieg werde erst enden, wenn Israel alle seine Ziele erreicht habe, darunter die Zerschlagung der Hamas und die Befreiung aller Geiseln. Er hatte kürzlich in Aussicht gestellt, dass die letzten größeren Hamas-Verbände im Süden Gazas bald zerschlagen würden. Damit könnte zumindest die großangelegte Bodenoffensive enden, auch wenn das nicht das Ende des Militäreinsatzes in Gaza wäre.
Israel richtet seine Aufmerksamkeit nun zunehmend auf seine Grenze im Norden zum Libanon. Dort feuerte die von Israels Erzfeind Iran unterstützte schiitische Hisbollah-Miliz zuletzt als Reaktion auf die Tötung eines ranghohen Kommandeurs mehr als 200 Raketen und 20 Drohnen auf Israel ab. Dabei kam ein israelischer Reservist im Rang eines Majors ums Leben, wie die israelischen Streitkräfte mitteilten.
Die Hisbollah will erst mit dem Beschuss auf Israel aufhören, wenn es eine Waffenruhe in Gaza gibt. Sie handelt nach eigenen Aussagen aus Solidarität mit der Hamas.
„Präsident Biden bekräftigte sein eisernes Engagement für Israels Sicherheit, auch angesichts der Bedrohung durch vom Iran unterstützte Terrorgruppen wie die libanesische Hisbollah“, teilte das Weiße Haus nach Bidens Gespräch mit Netanjahu mit. Für den 15. Juli sei außerdem ein Treffen der wichtigsten Berater von Biden und Netanjahu geplant, hieß es.
Ein Abkommen über eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln im Gaza-Krieg könnte das wirksamste Mittel sein, einen Flächenbrand in Nahost zu verhindern, schrieb das „Wall Street Journal“. Israel und die Hisbollah liefern sich seit Beginn des Gaza-Kriegs nahezu täglich Gefechte. Zuletzt nahm deren Intensität deutlich zu. Es besteht die Sorge, dass sich die Kampfhandlungen zu einem regionalen Konflikt ausweiten, in den auch die USA und der Iran hineingezogen werden könnten.
Der Iran ist nicht nur mit der Hisbollah und der Hamas verbündet, sondern auch mit nichtstaatlichen Akteuren im Irak sowie im Jemen. Syrien ist Teherans einziger strategischer Partner auf staatlicher Ebene.
Israels Militärverwaltung hat derweil den Bau von 5.295 Wohneinheiten im Westjordanland genehmigt. Weiterhin sollen drei Siedler-Außenposten legalisiert werden, wie die Menschenrechtsorganisation Peace Now mitteilte. Entsprechende Beschlüsse habe der Hohe Planungsrat gefasst, ein Gremium der Militärverwaltung für das Westjordanland. Bereits in der Vorwoche hatten die israelischen Besatzungsbehörden die Legalisierung von fünf Außenposten beschlossen.
Nach internationalem Recht ist jede Siedlungstätigkeit in militärisch besetzten Gebieten illegal. Auch nach israelischem Gesetz sind die Siedlungen illegal, sie werden aber gelegentlich rückwirkend legalisiert. Israel hatte während des Sechs-Tage-Kriegs 1967 unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Dort leben heute inmitten drei Millionen Palästinensern rund 700.000 israelische Siedler. 1993 waren es laut Peace Now noch 250.000.
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