Bereits seit 2017 gibt es in der Fußball-Bundesliga den Videobeweis. Viele Spieler, Trainer und Fans sehen diese Möglichkeit des Eingriffs bei Schiedsrichter-Entscheidungen mittlerweile sehr kritisch. Aber um die Akzeptanz wieder zu steigern und um jedem im Stadion klarzumachen, was gerade warum entschieden wurde, startet bereits am kommenden Wochenende in der ersten und zweiten Liga ein neues Pilotprojekt: Künftig erklären die Schiedsrichter den Zuschauern jeden wichtigen VAR-Eingriff per Lautsprecher-Durchsage. Dabei handelt es sich zunächst um eine Testphase in neun ausgewählten Stadien.
Konkret beginnt die Testphase bei den fünf folgenden Spielen: Bayern München - Holstein Kiel, FC St. Pauli - FC Augsburg und Fortuna Düsseldorf - SSV Ulm 1846 am Samstag. Sowie Eintracht Frankfurt - VfL Wolfsburg und Bayer Leverkusen - 1899 Hoffenheim am Sonntag. Ebenfalls Teil des Projekts sind danach die Stadien von Borussia Dortmund, SC Freiburg, RB Leipzig und SpVgg Greuther Fürth.
Die Fußball-Regelbehörde Ifab gab im März 2024 die Erlaubnis, solche Schiedsrichter-Durchsagen bei internationalen Turnieren oder in internationalen Ligen einzuführen. Bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) und ihrer neunköpfigen Kommission „Fußball“ war man bereits im vergangenen Sommer der Überzeugung: Das wollen wir auch. Jetzt sind alle Vorbereitungen in enger Abstimmung mit der Schiri GmbH des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) abgeschlossen.
„Wir sind klar der Meinung, dass der VAR ein wichtiges Instrument ist und bleiben soll. Aber wir kriegen die Stimmung in den Stadien und in der Öffentlichkeit auch mit“, sagte Sportvorstand Max Ebel vom FC Bayern München als Mitglied der DFL-Kommission. „Deshalb haben wir uns gefragt: Was können wir machen, damit Klarheit herrscht? Denn bevor man etwas in die Tonne kloppt, sollte man alle Wege gehen, um es zu einem guten Projekt werden zu lassen. So sind alle gleichzeitig über die gleiche Information abgeholt. Wir wollen dieses VAR-System besser und transparenter machen.“
Im American Football in den USA (NFL) und in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) sind Schiedsrichter, die einen Videobeweis erklären, ein fester Bestandteil. Hinzu kommen weitere Pilotprojekte, die auch im Fußball bereits laufen oder liefen: zum Beispiel in der portugiesischen Liga oder bei der WM 2023 der Fußballerinnen.
Nach einem Bericht des „Kicker“ sind viele deutsche Spitzen-Schiedsrichter skeptisch. Die Kritikpunkte sind: das Risiko für Technikpannen oder Versprecher vor einem großen Publikum. Eine zu kurze Vorbereitungszeit in den vergangenen Monaten. Und die Gefahr, dass Spielunterbrechungen künftig noch länger dauern als das ohnehin schon bei einigen VAR-Eingriffen der Fall ist.
Führende Schiedsrichter-Vertreter traten diesem Eindruck am Montag entgegen. „Wir sind aus meiner Sicht gut vorbereitet. Die Schiedsrichter waren Teil des Prozesses“, sagte Knut Kircher, der Geschäftsführer der DFB Schiri GmbH.
Sein Kollege Jochen Drees (Leiter Innovation und Technologie der DFB Schiri GmbH) verwies darauf, dass die Referees vor der Saison in einem Trainingslager in Herzogenaurach, während der Hinrunde bei zwei Terminen in Frankfurt am Main und während der Winterpause in einem weiteren Trainingslager in Portugal entsprechend trainiert wurden. „Nicht jeder wird sich damit wohlfühlen, wenn er in einem Stadion zu hören ist und sich positionieren muss“, sagte Drees. „Deswegen haben wir da ein bisschen Überzeugungsarbeit leisten müssen.“
Für die Kommunikation zwischen dem Schiedsrichter und seinen Assistenten gibt es schon jetzt eine Funkverbindung auf dem Spielfeld und zu den Videoassistenten in Köln. Für die neuen Stadiondurchsagen muss nur noch eine Verbindung mit den Lautsprechern der jeweiligen Arena geschaffen werden. Und die gibt der Schiedsrichter per Knopfdruck frei. Die Durchsagen des Referees werden dann nicht nur im Stadion, sondern auch in der jeweiligen Live-Übertragung im Fernsehen oder Internet zu hören sein.
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