Ein Jahr nach Machtübernahme der Taliban erlebt Afghanistan die wohl schwerste humanitäre Katastrophe des Landes. Das beschreibt ein am Mittwoch erschienener Bericht der Hilfsorganisation Save the Children.
Demnach hätten 97 Prozent aller afghanischen Familien Schwierigkeiten, genug Essen für ihre Kinder aufzutreiben. Vor allem Haushalte, die von Frauen geführt werden, litten unter Armut. Genau in diesen seien Mädchen nun auch besonders stark von Kinderheirat bedroht. „Kinder werden ihrer Kindheit beraubt“, fasst Inger Ashing von Save the Children die Situation in dem Land zusammen. „Eltern sehen ihre Kinder sterben.“ Der wirtschaftliche Kollaps werde durch Sanktionen gegen die Taliban noch verstärkt.
Mädchen treffen die Zustände besonders hart, wie der Bericht zeigt. Demnach zeigen 26 Prozent aller befragten Mädchen Anzeichen von Depressionen, bei den Jungen sind es 16 Prozent. Trotz Drucks der internationalen Gemeinschaft und der afghanischen Zivilgesellschaft haben die Taliban in weiten Teilen des Landes die Schulen für Mädchen ab der siebten Klasse geschlossen. Viele Kinder müssen laut Bericht außerdem die Schule verlassen, um zum Einkommen im Haushalt beizutragen oder weil sich Eltern keine Schulmaterialien leisten können. Afghanistan erlebe derzeit eine „Kinderrechtskatastrophe“, so die Organisation.
Allerdings betont auch Save the Children: Schon vor Machtübernahme der Taliban sei Afghanistan einer der schlechtesten Orte gewesen, um ein Kind zu sein. Seit 40 Jahren leide das Land unter Krieg und Gewalt. Viele ländliche Gegenden haben demnach in den vergangenen zwanzig Jahren außerdem nie etwas von den Aufbaumaßnahmen der alten Regierung gesehen.
Gleichzeitig heißt es im Bericht, unter den Mädchen und den jungen Menschen in Afghanistan gäbe es noch viel Hoffnung. „Ohne Bildung ist es jedoch schwierig, eine Zukunft für das Land zu sehen“, so Christopher Nyamandi, Landesdirektor von Save the Children Afghanistan.
© dpa-infocom, dpa:220811-99-345053/3