Wer künftig einen Führerschein verlängern lassen will, muss dafür nach dem Willen der EU-Staaten einen Fragebogen mit Gesundheitsfragen ausfüllen. Damit könnte künftig in Deutschland alle 15 Jahre eine solche Selbstauskunft fällig werden, wie aus Angaben der EU-Länder hervorgeht.
Das deutsche Verkehrsministerium konnte sich bei Verhandlungen über neue Führerscheinregeln nicht damit durchsetzen, dass es keine solche Selbstauskunft geben soll. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte deswegen angekündigt, dem Vorhaben nicht zuzustimmen.
Die Überarbeitung der Regeln geht auf einen Vorschlag der EU-Kommission zurück, der im März vorgestellt worden war. Die EU-Staaten haben nun ihre Position dazu verabschiedet, mit der sie in Verhandlungen mit dem Parlament gehen wollen.
Für die Erneuerung von Führerscheinen soll untersucht werden, ob Inhaberinnen und Inhaber noch körperlich und geistig in der Lage sind, Auto oder Motorrad zu fahren. Dabei geht es etwa um Einschränkungen wie Sehschwächen, Herzerkrankungen, Epilepsie oder Alkoholismus, die auch für andere Menschen im Verkehr eine Gefahr darstellen. Ob die eigene Sehkraft oder das Trinkverhalten ein Risiko darstellen, muss aber keine Ärztin oder Arzt untersuchen. Jedes Land kann sich auch dafür entscheiden, lediglich eine Selbstauskunft zu verlangen.
Führerscheine für Autos, Roller und Motorräder sind den Plänen zufolge 10 bis 15 Jahre gültig - für Busse und Lkw gelten strengere Regeln. Jedem Land wird nach Willen der Länder zudem die Möglichkeit eingeräumt, diese Zeiten für ältere Fahrerinnen und Fahrer zu verkürzen. Die EU-Kommission hatte ursprünglich vorgeschlagen, dass Führerscheine von Menschen, die älter als 70 Jahre sind, alle fünf Jahre erneuert werden sollen.
Mit der Überarbeitung der EU-Führerscheinregeln gab es in Deutschland auch wieder eine große Debatte, ob ältere Menschen im Straßenverkehr ein Risiko darstellen. Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat lehnt eine mögliche verpflichtende Überprüfung der Fahrtauglichkeit von Senioren als unverhältnismäßig ab. Ältere Menschen hätten im Vergleich zu ihrem Bevölkerungsanteil eine unterproportionale Unfallbeteiligung.
Diese Argumentationslinie geht nach Ansicht von Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer, aber am Kern vorbei. Zwar stellten Seniorinnen und Senioren in absoluten Zahlen kein überhöhtes Unfallrisiko da. Diese würden aber viel weniger Auto fahren. Auf die Kilometerfahrleistung bezogen sei das Unfallrisiko von Menschen über 75 Jahren in bestimmten Aspekten vergleichbar mit der Hochrisikogruppe der sehr jungen Fahrerinnen und Fahrer.
Wie aus Zahlen des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden hervorgeht, haben ältere Autofahrer häufiger die Hauptschuld als jüngere, wenn sie an Unfällen mit Personenschaden beteiligt sind. Der Statistik zufolge waren Menschen ab 65 Jahren vergangenes Jahr in mehr als zwei Dritteln dieser Fälle (69 Prozent) die Hauptverursachenden.
Was Deutsche bereits seit 2011 dürfen, macht EU-weit Schule. Auch in anderen Ländern könnten künftig Minderjährige neben Eltern oder anderen Begleitpersonen am Steuer sitzen. Diese Begleitung muss dem Vorhaben zufolge mindestens 24 Jahre alt sein und seit mindestens fünf Jahren einen Führerschein haben. Zudem darf sie innerhalb der vergangenen fünf Jahre kein Fahrverbot bekommen haben. Bislang müssen Begleitpersonen in Deutschland mindestens 30 Jahre alt sein. Auch eine Probezeit soll es künftig in der gesamten EU geben.
Neu ist, dass künftig auch bei Lkw begleitetes Fahren möglich sein soll. Damit folgen die EU-Staaten weitgehend dem ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission. Der FDP-Europaabgeordnete Jan-Christoph Oetjen forderte, begleitendes Fahren bereits ab 16 zuzulassen.
Die EU-Staaten einigten sich auch darauf, dass es künftig auch einen digitalen Führerschein geben soll, den man auf dem Handy abspeichern kann. Dieser soll kostenlos abgerufen werden können. Laut Kommissionsvorschlag soll es aber weiterhin eine physische Version der Fahrerlaubnis geben.
Erste Vorschläge der französischen Grünen-Abgeordneten Karima Delli waren selbst bei Parteifreundinnen und -freunden aus Deutschland auf deutliche Kritik gestoßen. So hatte sie etwa verpflichtende medizinische Checks, deutliche Einschränkungen für Fahranfängerinnen und Fahranfänger und strengere Geschwindigkeitsbegrenzungen vorgeschlagen. Dass diese Vorschläge aber genau so angenommen werden, ist angesichts deutlicher parteiübergreifender Kritik nahezu ausgeschlossen.
Bei einzelnen Aspekten könnte sich Delli aber durchsetzen. „Leider zeichnet sich im Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments eine Mehrheit für die verpflichtende Einführung von medizinischen Tests ab“, sagte der CDU-Europaabgeordnete Jens Gieseke.
Bevor neue Regeln in Kraft treten können, muss das EU-Parlament noch eine Position festlegen und sich im Anschluss mit den EU-Staaten auf einen Kompromiss einigen. Es wird erwartet, dass der Verkehrsausschuss am Donnerstag über eine Position abstimmt. Danach kann das gesamte Parlament auf Grundlage der Entscheidung im Verkehrsausschuss über eine Position abstimmen und es können Verhandlungen aufgenommen werden.
Die Positionierung der EU-Staaten und des Parlaments sind wichtige Schritte auf dem Weg zu neuen Vorgaben. Ziel ist es, die Verhandlungen noch vor den Europawahlen im kommenden Jahr abzuschließen. Wie bei anderen Richtlinien auch muss Deutschland die Vorgaben dann in nationales Recht umsetzen. Dafür ist derzeit im Vorschlag der EU-Staaten eine Frist von drei Jahren vorgesehen, nachdem die Regelung in Kraft getreten ist.
© dpa-infocom, dpa:231204-99-171099/8