Für Emmanuel Macron ist es nichts weniger als „eine Verabredung mit der Geschichte“. Wenige Tage vor der Eröffnung der Sommerspiele in Paris steigt auch bei Frankreichs Präsident das Olympia-Fieber. Immer mehr Athletinnen und Athleten beziehen ihre Zimmer im olympischen Dorf, an den Wettkampfstätten laufen nur noch Restarbeiten und die Präsenz von Polizei und Sicherheitskräften ist deutlich gestiegen. „Alles ist bereit, die Vorfreude steigt“, sagt Organisationschef Tony Estanguet.
Auf rund 4,5 Milliarden Euro beziffert der dreimalige Kanu-Olympiasieger die Kosten für die dritten Sommerspiele in der französischen Hauptstadt nach 1900 und 1924. Alles sei privat finanziert, nichts aus Steuergeldern, versichert Estanguet.
Das Vorbild Paris elektrisiert auch den Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbunds kurz vor seiner Abfahrt in die Gastgeberstadt am Dienstag. „Paris ist in der Nähe, wir werden viele Fans aus Deutschland dort haben. Das ist auch im Hinblick, dass man sich vielleicht selbst mal wieder bewerben will, positiv“, sagte DOSB-Chef Thomas Weikert im ZDF-„Sportstudio“.
Nach zwei olympischen Corona-Ausgaben plant der DOSB wieder rauschende Medaillenpartys in einem opulenten Deutschen Haus, das diesmal inklusive Fanzone für 3000 Zuschauer in einem Rugbystadion eingerichtet ist. Auch damit will Weikert die oft skeptische deutsche Öffentlichkeit für eine eigene Olympia-Bewerbung inspirieren, wie der 62-Jährige betont. Dafür aber wird es auch sportliche Erfolge brauchen, nachdem es 2021 in Tokio mit 37 Medaillen die schwächste Ausbeute seit der Wiedervereinigung gab.
„Das Ziel ist sicherlich mindestens das Ergebnis, was wir bei den letzten Spielen erreicht haben“, heißt die eher vorsichtige Vorgabe von Weikert. Unter die besten zehn Nationen im Medaillenspiegel soll es wieder gehen. Das würden auch die jüngsten Hochrechnungen des Dachverbands zeigen, sagt Weikert.
427 deutsche Athletinnen und Athleten gehen in Paris an den Start, 211 Frauen und 216 Männer. Für 255 von ihnen ist es eine olympische Premiere. Die größten Gold-Hoffnungen tragen neben den Reitern und Kanuten auch Weitspringerin Malaika Mihambo, Zehnkämpfer Leo Neugebauer und Schwimmer Florian Wellbrock.
Die Polizei patrouilliert schon beim Eintreffen der Olympia-Gäste in Paris am Bahnsteig, auch Militärkräfte sind überall zu sehen. Deren Präsenz vor Beginn der Spiele wurde massiv verstärkt - dazu kommen noch bis zu 20.000 private Sicherheitskräfte.
Aus Sicht des geschäftsführenden Innenministers gibt es derzeit keinen Grund zur Beunruhigung. „Soweit uns bekannt ist, gibt es keine charakteristische Bedrohung der Sicherheit der Olympischen Spiele“, sagte Gérald Darmanin dem „Le Journal du Dimanche“. Die Nachrichtendienste hätten bislang keine drohende Gefahr festgestellt. Auch die Eröffnungsfeier könne wie geplant auf der Seine stattfinden. Auch Organisationschef Estanguet bekräftigt, dass Sicherheit die „Priorität Nummer 1“ sei.
Eröffnungs- und Schlussfeier, mehrere Abendveranstaltungen in der Leichtathletik - laut den Organisatoren gibt es noch in mehr als 20 Sportarten freie Plätze. Insgesamt seien rund 8,8 Millionen Tickets verkauft worden - eine sechsstellige Anzahl steht demnach noch zur Verfügung. Verbraucherschützer warnen eindringlich davor, Karten in Paris von Einzelpersonen zu kaufen. Empfohlen wird, Tickets ausschließlich auf der offiziellen Olympia-Verkaufswebsite oder auf der offiziellen Wiederverkaufswebsite zu erwerben.
Bei der Tour de France fuhr die Sorge vor Corona bis zum Schluss mit. Mehrere Radprofis mussten die Rundfahrt vorzeitig wegen einer Infektion aufgeben, die Organisatoren hatten eine Maskenpflicht in bestimmten Bereichen eingeführt. Die Olympia-Macher setzen derzeit auf keine besonderen Maßnahmen.
Es würden die normalen Empfehlungen gelten, sich beispielsweise regelmäßig die Hände zu waschen, sagte OK-Chef Estanguet mit Verweis auf die französischen Gesundheitsbehörden und sinkende Corona-Zahlen im Land. Derzeit gebe es keinen Grund, die Maßnahmen zu verstärken. 2021 in Tokio und 2022 in Peking wurde Olympia wegen der Pandemie mit scharfen Auflagen und weitgehend ohne Zuschauer veranstaltet.
Der Ärger um positive Dopingtests bei 23 chinesischen Top-Schwimmern wirkt weiter nach. „Wir tun alles Mögliche, damit das aufgeklärt wird. Das muss zum Schutz der Athletinnen und Athleten auch der Fall sein. Sonst können wir uns den Wettbewerb nämlich sparen“, sagte DOSB-Präsident Weikert dem ZDF.
Im April war bekanntgeworden, dass 23 chinesische Schwimmerinnen und Schwimmer bei einem nationalen Wettkampf in China Anfang 2021 positiv auf das Herzmittel Trimetazidin getestet worden waren. Die chinesische Anti-Doping-Agentur Chinada führte die Positivtests auf Verunreinigungen in einer Hotelküche zurück und verzichtete auf Sperren.
Die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada folgte dieser Bewertung. Trotz heftiger Kritik angeführt von den USA stellte ein unabhängiger Ermittler aus der Schweiz kein Fehlverhalten der Wada fest. „Ein bissel empört“ sei auch der deutsche Sport, bekräftigt Weikert. Bundestrainer Bernd Berkhahn stellt sich bereits auf Proteste in der Schwimmhalle ein.
© dpa-infocom, dpa:240721-930-180129/1